Neues Angebot in Ostholstein: "Auszeit für die Seele"
05. Juni 2023
Generalprobe für die "Auszeit für die Seele": Das neue Angebot für Urlauber und Einheimische haben Mitglieder der Kirchengemeinde Süsel kürzlich ausprobiert. Unser Autor Marco Heinen war mit ihnen unterwegs an der Steilküste und am Strand von Sierksdorf.
Es ist 20 Uhr am Abend. Im nahen Hansa-Park Sierksdorf sind die Besucher längst gegangen und die Fahrgeschäfte stehen still. Die Sonne scheint, und auf den Wiesen tummeln sich Kaninchen, während ein Stück weiter ein Rüttelfalke in der Luft stehend Ausschau nach Beute hält. Der Duft des abgeblühten Rapses liegt in der Luft.
Ein Dutzend Menschen hat sich beim Parkplatz am Ende der Straße Fahrenkroog versammelt. Auf dem neuen Minigolfplatz werden die letzten Löcher gespielt, ein paar wenige Passanten gehen noch den Weg an der Steilküste entlang.
Wandern mit Ehrenamtlichen aus der Region
Die kleine Gruppe wird ihnen gleich nachfolgen. Doch zunächst stellen sie sich vor: Es sind Frauen und Männer aus der Flötengruppe und dem Posaunenchor der Kirchengemeinde Süsel sowie aus dem Team, das jedes Jahr den Weltgebetstag vorbereitet.
Mit dabei sind auch Annegret und Matthias Isecke-Vogelsang, die als Ehrenamtliche im Rahmen der Sommerkirche des Kirchenkreises Ostholstein die rund einstündige Wanderung vorbereitet und an diesem Tag zu einem "Probelauf" eingeladen haben.
Während diesmal ausschließlich Freunde und Bekannte aus der Kirchengemeinde mitgehen, sind in den Sommermonaten alle Einheimischen und Touristen willkommen, an dieser "Auszeit für die Seele" teilzunehmen.
Spirituelle Impulse, Schweigen und Reden
Solche Auszeiten werden bis Ende August in Sierksdorf, Bad Schwartau, Gleschendorf, Klingberg und Häven (bei Niendorf) angeboten, jeweils auf unterschiedlichen Routen und von örtlichen Ehrenamtlichen geleitet. Die Maßgabe für alle: Die Auszeit soll etwa eine Stunde dauern und der Weg nicht länger als zwei Kilometer lang sein. Dazu gehören spirituelle Impulse, Zeiten des Schweigens, aber auch Möglichkeiten zum Austausch mit anderen Teilnehmenden.
Thematisch geht es beim Ehepaar Isecke-Vogelsang um das Wasser. Welche Farbe hat das Meer, wenn man von der Steilküste aus darauf blickt? Sind die Wellen zu hören? Duftet es nach Meerwasser? Das sind einige der Fragen, über die in den ersten zehn Minuten des gemeinsamen Weges nachgedacht werden kann.
"Jede und jeder achtet auf sich"
"Diese Stunde gehört ganz Ihnen. Es ist eine Auszeit für die Seele. Jede und jeder achtet auf sich. Was die anderen machen, ist nicht wichtig", sagt Matthias Isecke-Vogelsang, bevor sich die Gruppe in Bewegung setzt. Und erst einmal wird geschwiegen.
Es fällt nicht ganz leicht, sich dabei auf das Meer zu konzentrieren. Denn die ersten Schritte führen durch eine blühende Sommerwiese, in der auch noch einzelne Bienen unterwegs sind, was ebenso reizvoll anzuschauen ist wie das weite Blau. Es ist eine Szenerie aus dem Bilderbuch.
Aus welchen Quellen schöpfe ich Kraft?
Nach einigen Hundert Metern sammelt sich die Gruppe. Annegret Vogelsang fragt, was unterwegs zu sehen war. Wie ist das überhaupt mit dem Wasser? Welche Gewässer haben jeden Einzelnen selbst geprägt? Was bedeuten einem persönlich bestimmte Seen, Flüsse oder Meere? Sind die Erfahrungen alle positiv? Und im übertragenen Sinne: aus welchen Quellen schöpfe ich Kraft für mein eigenes Leben?
Über diese Fragen kommen die Teilnehmenden auf dem nächsten Abschnitt ins Gespräch. Eine Frau erinnert sich an ihre Zeit in Heidelberg. Damals hatte sie ein Szene miterlebt, bei der ein Auto bei Sturm von einer Fähre in den Neckar stürzte. Ein Kind wurde Tage später tot geborgen. "Da ist Wasser dann durchaus auch eine Bedrohung", erzählt sie einem anderen Teilnehmer.
Eine Frau fühlt sich wiederum an ihre Studienzeit erinnert. Damals war sie drei Wochen im Iran, in einer wüsten Landschaft. Als sie in Hamburg wieder aus dem Flugzeug stieg und den Wind und Nieselregen auf der Haut spürte, da wusste sie: "Das ist Zuhause. Das war mir vorher nicht klar."
Himmel, Erde, Luft und Meer erleben
Vom Steilufer geht es runter an den Strand. Matthias Isecke-Vogelsang stimmt das Lied Himmel, Erde, Luft und Meer aus dem Evangelischen Gesangbuch an. Darüber wird auf dem Weg zurück nachgedacht und gesprochen.
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Im Wasser steht ein Mann und angelt. Er achtet nicht auf die Spaziergänger. Zwei Schwäne fliegen vorbei, ihr Flügelschlag ist gut zu hören. Mehlschwalben zischen durch die Abendluft. Wellen schwappen an den Strand. Als die Gruppe zurück am Ausgangspunkt ist, spricht Annegret Vogelsang noch einen Segen. "Es war ein rundum gelungener Abend", resümiert Ute Wiesenberg aus Neustadt. Und das war nur die Generalprobe.