Ehrenamtliches Engagement für die Toten

Beerdigung in Würde: "Jeder hat nette Abschiedsworte verdient"

Ein Grablicht erinnert an einen verstorbenen Menschen: In Schwerin geben Ehrenamtliche Toten, die keine Familie haben, das letzte Geleit.
Ein Grablicht erinnert an einen verstorbenen Menschen: In Schwerin geben Ehrenamtliche Toten, die keine Familie haben, das letzte Geleit. © iStock

25. November 2023 von Anne-Dorle Hoffgaard

In unserer Kultur gedenken wir der Verstorbenen, die uns lieb sind. Doch viele Menschen haben keine direkten Angehörigen. Damit ihre Beerdigung nicht sang- und klanglos verläuft, engagieren sich in Schwerin Ehrenamtliche für eine Bestattung in Würde – mit Musik und Abschiedsworten.

Es ist ein sonniger Herbsttag. Auf dem Alten Friedhof in Schwerin haben sich drei Frauen und ein Mann sowie Friedhofsmitarbeitende zur Beisetzung von zwei Urnen versammelt. Eine Frau spielt auf der Querflöte die geistlichen Lieder „Amazing Grace“ und „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, zwei kurze Reden werden gehalten und ein Lied gesungen.

Lieder und Blumen für die Toten

Was wie eine ganz normale Beerdigung anmuten mag, ist jedoch etwas Besonderes. Denn die beiden verstorbenen Frauen werden „ordnungsbehördlich“ von der Kommune bestattet – weil keine Angehörigen aufzufinden waren.

Dass diese Beerdigungen trotzdem nicht sang- und klanglos erfolgen, dafür engagieren sich in Schwerin seit einem Jahr Ehrenamtliche. „Jeder hat nette Abschiedsworte verdient und dass jemand da ist, wenn die Urne versenkt wird“, begründet Hanni Gruttmann ihr Engagement.

Letzte Ehre für Unbekannte

„Ich fand das schön, letztes Mal, wie das gestaltet wird“, sagt Sabine Siegert, die zum zweiten Mal an solch einer Bestattung teilnimmt und zwei kleine Sträuße mitgebracht hat.

Die Ehrenamtlichen wissen nicht, wen sie bestatten, kennen nur den Namen und das Geburts- und Sterbedatum, erklärt Christoph Wunnicke. Der 52 Jahre alte Historiker ist Initiator dieser ehrenamtlichen Initiative in Schwerin.

Ritual am Ende des Lebens

Er denke, dass die Mehrheit derer, die ordnungsbehördlich bestattet werden, nicht ohne Anteilnahme irgendwo verscharrt werden wollten, sagt er.

Ewigkeitssonntag kurz erklärt

Die christliche Kirche nennt ihn Ewigkeitssonntag, viele kennen den Feiertag jedoch unter dem Namen Totensonntag: Seit 1816 ist der letzte Sonntag im November in Deutschland ein stiller Feiertag. Das heißt, er ist durch die Feiertagsgesetzgebung besonders geschützt. So sind öffentliche Sport-, Tanz- und Musikveranstaltungen sowie Märkte sind an diesem Tag tabu. 

Der Feiertag dient dazu, der Toten zu gedenken. Angehörige sollen in ihrer Trauer zum Beispiel bei einem Gottesdienst Trost finden. Oft können Familie und Freunde der Verstorbenen die Namen ihrer Lieben in Trauerbücher eintragen, für sie wird dann während der Andacht gebetet. Im Mittelpunkt des kirchlichen Rituals steht also nicht das Ende des irdischen Lebens, sondern die Auferstehung und der Glaube an das ewige Leben. 

Auffällig sei, dass die Bindekräfte der Gesellschaft, die früher auch durch Rituale und soziale Bräuche rundum die Bestattung existierten, nachlassen, so Wunnicke. Und dass man die allerwenigsten der ordnungsbehördlich Bestatteten googeln könne. Er wundere sich, dass von ihnen nichts Digitales da sei. Einsamkeit, Randständigkeit könnten beispielsweise dahinterstecken, vermutet er.

Kirchen und Kommunen arbeiten zusammen

In Schwerin wurden im vergangenen Jahr 39 Verstorbene ordnungsbehördlich bestattet, in diesem Jahr waren es bis Anfang November bereits 31, informieren die Stadtwirtschaftlichen Dienstleistungen Schwerin (SDS), die die Friedhöfe in Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt bewirtschaften.

Dabei handele es sich nicht unbedingt um mittellose Menschen. Die Friedhofsverwaltung begrüße das ehrenamtliche Engagement für eine würdevolle Bestattung dieser Menschen „außerordentlich und leistet gern dabei Unterstützung“, so die SDS.

Ehrenamtliche ergänzen Pastor:innen

Ein derartiger Einsatz von Nichttheologen wie in Schwerin scheint noch etwas Besonderes zu sein. Den evangelischen Kirchenkreisen Mecklenburg und Pommern ist nach Angaben ihrer Pressestellen kein weiteres Beispiel bekannt.

Wenn der Verstorbene kirchlich war, erfolge eine kirchliche Trauerfeier, „soweit die Kirchengemeinde in den Bestattungsprozess integriert wird“, heißt es vom mecklenburgischen Kirchenkreis.

Kirchliche Gedenkstunde

Allerdings wird, so die Stadtverwaltung Stralsund, in der vorpommerschen Hansestadt seit 2021 jeweils am Sonnabend nach Ostern im Rahmen einer ökumenischen Gedenkstunde auf dem Zentralfriedhof der im zurückliegenden Jahr ordnungsrechtlich Bestatteten gedacht.

Das betraf im Jahr 2022 zehn Verstorbene und in diesem Jahr bis zum 1. November 18 Verstorbene.

Handhabung je nach Gebiet unterschiedlich

In Rostock begleiten laut Stadtverwaltung in seltenen Fällen, bei denen die Verstorbenen vorher einer Kirche angehört haben, evangelische oder/und katholische Pastoren die Beisetzung und sorgen freiwillig für eine würdige Verabschiedung.

Etwa 100 Sozialbestattungen gebe es pro Jahr in Rostock, so die Kommune. In etwa zwei Dritteln der Fälle werde die Urne durch die Friedhofsmitarbeitenden allein und ohne Angehörige beigesetzt.

Hamburger Pastorenteam auf Öjendorfer Friedhof 

In Kiel werde, wenn der Verstorbene evangelischen Glaubens war, der Kirchenkreis Altholstein informiert, so die Stadtverwaltung. Dieser organisiere in einem bestimmten Rhythmus Gedenkgottesdienste für diese Verstorbenen. In Hamburg finden die „Bestattungen von Amts wegen“ auf dem Öjendorfer Friedhof statt und werden von einem Pastorenteam begleitet.

Radio-Andacht zum Ewigkeitssonntag

Zum Ewigkeitssonntag am 26. November wird ab 10 Uhr ein Gottesdienst aus der Fritz-Schumacher-Halle auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg live im Radio übertragen.

Im Gottesdienst werde ein Offenbarungstext mit zeitgenössischen Texten von Wolfgang Herrndorf, Helga Schubert, Olga Martynova kombiniert. Ab 10 Uhr wird er auf NDR Info, WDR 5 und RBB Kultur live gesendet.

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