Bischöfin Fehrs: Rassismus ist Sünde
12. Juni 2020
Die weltweiten Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus haben nach dem Tod von George Floyd am 25. Mai in Minneapolis (USA) eine neue Dimension erhalten. Auch an diesem Wochenende sind in Hamburg wieder Demonstrationen angekündigt. Dazu gibt es Fragen an die Bischöfin Kirsten Fehrs.
Hat sich die evangelische Kirche in der Debatte bisher zu sehr zurückgehalten?
Fehrs: Das Eintreten gegen Rassismus gehört zur Grundhaltung evangelischer Christinnen und Christen. Niemand darf wegen des Aussehens oder wegen der vermeintlichen Herkunft benachteiligt, ausgegrenzt oder gar getötet werden. Das ist mit der Würde des Menschen als Gottes Geschöpf nicht vereinbar. Rassismus entstellt auch das menschliche Gesicht derer, die rassistisch handeln, reden oder denken. Da kann es keine Zurückhaltung geben.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Washingtoner Bischöfin Mariann Edgar Budde nach Trumps unsäglichem Auftritt vor ihrer Kirche unmissverständliche Worte gefunden hat. Ebenso hat die EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber stellvertretend für uns alle ihre Sorge über tiefverwurzelten Rassismus deutlich artikuliert. Und natürlich habe auch ich in meiner Predigt am vergangenen Sonntag im Michel die Gewalt klar benannt. Rassismus ist Sünde. Die Kirche darf nicht schweigen, und sie tut es auch nicht.
Welche Formen gibt es für diesen kirchlichen Protest - neben der Predigt?
Fehrs: Kirche ist längst vielfältig engagiert. Interkulturelle Öffnung ist ein wichtiges Anliegen der Nordkirche, an dem sie kontinuierlich arbeitet. Dazu gehört es auch, Mechanismen von Ausgrenzung aufzuspüren und abzubauen. Unter nordkirche-interkulturell.de ist da manches zu entdecken. Die Auseinandersetzung mit Rassismus geschieht vor Ort, in Kirchengemeinden und Partnerschaftsgruppen. Diese kontinuierliche Bildungsarbeit trägt wesentlich dazu bei, auch unbemerktem oder strukturellem Rassismus zu begegnen, wo immer er auftreten mag.
Welche zentralen Stellen in der Bibel wenden sich gegen den Rassismus?
Fehrs: Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde. Das steht ganz vorn in der Bibel, im allerersten Kapitel. Das ist jedem Menschen von Anfang an mitgegeben, ohne jeden Unterschied - einfach weil er oder sie Mensch ist. Daran knüpft die Bibel immer wieder an: mit dem Gebot der Nächstenliebe, die auch Feinde umfassen soll, oder mit dem Friedenstraum von der Tischgemeinschaft aller Völker. Jesus hat Grenzen überwunden und Benachteiligung widersprochen. Die Bibel ist voll davon.
Was erhoffen Sie sich von der #Blacklivesmatter-Bewegung?
Fehrs: Rassismus nimmt Menschen die Luft zum Atmen. Das kann laut und tödlich geschehen wie jüngst in Minneapolis, das geschieht aber auch leise und unbemerkt im Alltag. Wenn immer mehr Menschen dem aufmerksam und entschlossen entgegentreten, dann ist viel erreicht. Martin Luther King hat es eindrucksvoll gesagt: "Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde."