Bischöfin Fehrs will Schwerpunkte auf Aufarbeitung und Seelsorge setzen
13. November 2024
Bischöfin Kirsten Fehrs ist die neue Ratsvorsitzende der EKD. Die weitere Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, Zusammenhalt und die Zukunft der Kirche sind ihre Themen, über die sie mit uns gesprochen hat.
Pressemitteilung: Nordkirche gratuliert Kirsten Fehrs zur Wahl als Ratsvorsitzende der EKD
Rund ein Jahr lang war sie interimsweise EKD-Ratspräsidentin. Jetzt hat die Synode Kirsten Fehrs mit 97 von 130 Stimmen für weitere drei Jahre zur EKD-Ratspräsidentin gewählt. Im Kurzinterview sagt sie, was ihre Schwerpunkte sind und welche Aufgaben bei ihr an oberster Stelle stehen.
Drei Fragen an Bischöfin Kirsten Fehrs:
An welchen Themen wollen Sie sich als Ratsvorsitzende messen lassen?
„Es gibt Themen, die jetzt einfach dran sind: Da ist und bleibt das Thema Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der Kirche. Seit 2011 beschäftige ich mich mit diesem Thema hier auf Ebene der Nordkirche und seit 2018 auf EKD-Ebene. Nach so vielen Jahren – auch der Zusammenarbeit mit betroffenen Menschen – lässt mich das nicht mehr los.
Auch unserer seelsorglichen Aufgabe angesichts der großen Einsamkeit in unserer Gesellschaft messe ich große Bedeutung bei. Ich denke, die Menschen erwarten – mit Recht –, dass wir an ihrer Seite stehen, wenn sie Trost und Beistand benötigen.
Außerdem wünsche ich mir, dass wir als Kirche in einer unsicherer werdenden Welt der Demokratie weiterhin Vorschub leisten. Ich bin mir sicher, wir können ein stabilitäts- und friedensstiftender Faktor innerhalb unserer Gesellschaft sein, indem wir Dialogräume für Menschen schaffen, die sich ansonsten nicht begegnen, nicht austauschen würden. Das Fördern von gesellschaftlichem Zusammenhalt scheint mir eines der drängendsten Themen unserer Zeit.“
Wie wollen Sie sinkenden Mitgliederzahlen in der evangelischen Kirche begegnen?
„Wir werden stärker als früher Prioritäten setzen müssen und getrennte Bereiche enger zusammenführen, Kräfte bündeln. Dort, wo unsere Kirche gebraucht und gewollt ist, müssen wir präsent bleiben. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass wir nach und nach alles auf den Prüfstand stellen werden. Fakt ist, es wird in Zukunft eine weitere Fokussierung auf konkrete Aufgaben geben – in Diakonie und Seelsorge, in Kitas und Krankenhäusern, in ansprechend gestalteten Gottesdiensten.“
Sie haben in Ihrer Antrittsrede Psalm 27 zitiert: Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Wird das der Leitspruch für Ihre Amtszeit?
„Es gibt zwei ermutigende Psalmen, die für mich einen gewissen Hoffnungstrotz in diesen Zeiten ausdrücken. Das ist einmal dieser genannte und Psalm 119: Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg. Diesen Psalm habe ich in meinem Ratsbericht vor der Synode zitiert. Das Wort Gottes, also die christliche Hoffnung, weist uns als Fußleuchte den Weg. Eine Leuchte, die nur den nächsten Schritt erhellt, vielleicht noch den übernächsten. Voran geht es nur Schritt für Schritt. Für mich beschreibt das wunderbar den steinigen Weg der Transformation, auf dem sich unsere Kirche befindet. Stehenbleiben ist keine Option. Also gehen wir mit Mut und Zuversicht voran.“
Hintergrund zur Wahl
Nachdem der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland Bischöfin Kirsten Fehrs für den Ratsvorsitz vorgeschlagen hatte, wurde sie am Dienstag (12. November) von EKD-Synode und Kirchenkonferenz gewählt. Damit wird sie dieses Amt bis zum Ende der Legislatur, bis November 2027 ausüben. Den stellvertretenden Vorsitz übernimmt Sachsens Landesbischof Tobias Bilz.
Erste Glückwünsche von der Präses der Synode
Nach erfolgter Wahl betrat Bischöfin Fehrs mit den Worten „Das war ja doch spannend“ und sichtlich gelöst die Bühne, um die Glückwünsche von Präses Anna-Nicole Heinrich entgegenzunehmen, die ihr „für die neue alte Aufgabe viel Erfolg und Gottes Segen“ wünschte. Auch die Nordkirche gratuliert Kirsten Fehrs zur Wahl als Ratsvorsitzende der EKD.
In ihrer kurzen Dankesrede warf die Ratsvorsitzende noch einmal kurze Schlaglichter auf die Themen, die auch in den kommenden drei Jahren ganz oben auf ihrer Agenda stehen werden.
Aktuelle Themen der evangelischen Kirche
Sie wolle künftig sexualisierte Gewalt in der Kirche noch gezielter aufarbeiten und mahnte „einheitliche, konsequente und zugleich empathische Maßnahmen“ an. „Ich denke, das ist ein Dienst, den ich den Betroffenen ebenso wie meiner Kirche leisten kann.“
Friedensräume offen halten
Sie formulierte ihre Vision eines aufrichtigen Dialogs. Es gelte, Friedensräume offen zu halten, in denen Kontroversen produktiv ausgetragen werden können. Mit dem Motto „Kompromisse erringen, um zusammen zu bleiben“, machte sie sich einmal mehr stark für Zusammenhalt und Zusammengehörigkeit. Es solle alle Kraft aufgewendet werden, um noch mehr zu verbinden und als Kirche immer wieder das Recht der Schwächeren stark zu machen.
Gemeinsam losgehen - Schritt für Schritt
Nicht zuletzt sprach die Bischöfin die anstehenden „tiefgreifenden Veränderungen“ in der evangelischen Kirche an. „Die nächsten Jahre werden uns viel abverlangen“, konstatierte sie und nahm damit sinkende Mitgliederzahlen und notwendige Transformationsprozesse in den Blick. „Bei allem ist mir eins wichtig: Nicht die Furcht bestimmen lassen, sondern mit Offenheit, Mut und innerer Zuversicht an die Entscheidungen herangehen!“ Sie schloss mit Psalm 27: Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? und rief die Mitglieder von Kirchenparlament und -konferenz auf: „Lasst uns gemeinsam losgehen. Schritt für Schritt.“
Ratsvorsitz ist Ehrenamt
In anderen Zusammenhängen hatte Bischöfin Kirsten Fehrs bereits deutlich gemacht, dass es sich bei dem Amt der Ratsvorsitzenden um ein Ehrenamt handelt. „Mir ist wichtig, in meinem Sprengel in Hamburg und Lübeck auch in Zukunft als Bischöfin präsent zu sein.“ Der Nordkirche bleibt die Bischöfin also erhalten.