Bischof Ulrich: Flüchtlingsandrang erfordert von Christen Weltverantwortung
06. November 2015
Bremen. Der Leitende lutherische Bischof Gerhard Ulrich hat an die Christen appelliert, angesichts der erheblichen Flüchtlingszahlen in Deutschland Weltverantwortung zu übernehmen. Praktische Nächstenliebe und gelebte Mitmenschlichkeit bei der Aufnahme von Flüchtlingen seien das stärkste Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, sagte Landesbischof Ulrich am Donnerstag zum Auftakt der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) in Bremen. "Ich bin dankbar für die Vielen in Kirchengemeinden, Diensten und Werken, die teilen, einladen, anpacken", ergänzte er.
Ulrich sprach von einer "Herkulesaufgabe" für Deutschland, Menschen in Not zu helfen, ihnen ein Dach über dem Kopf zu geben und sie zu integrieren. Er lobte die Politiker für ihre Bereitschaft, sich dieser Aufgabe zu stellen und nicht schnell auf die nächsten Wahlen zu schielen. Der Bischof erinnerte daran, dass 1990 Menschen in Scharen die damalige DDR verlassen hätten, um Freiheit zu suchen. Damals habe Ungarn eine deutliche andere Rolle als heute gespielt. "25 Jahre nach der Wiedervereinigung stehen wir gemeinsam vor einer richtig großen Bewährungsprobe, sind herausgefordert, zu teilen Brot und Frieden, zu integrieren, zu tolerieren."
Brot und Frieden teilen - integrieren und tolerieren
Über die kirchliche Flüchtlingshilfe sagte der Bischof: "Wir sind die Institution, die die Integration der Verschiedenen in ihrem Auftrag hat und die Räume anzubieten hat, in denen das geübt werden kann." Die Teilnehmer an fremdenfeindlichen Kundgebungen müssten davor bewahrt werden, dass sie jenen auf den Leim gingen, die eine Zerschlagung der Demokratie als Ziel verfolgten. "Ihnen kann nur unser Widerstand gelten", ergänzte Ulrich.
Christliche Weltverantwortung dürfe sich nicht auf Flüchtlingsarbeit beschränken, mahnte der Leitende Bischof: "Der nicht abreißende Strom von Menschen, die um ihr Leben fliehen, erzählt eben auch vom Scheitern der Weltgemeinschaft, Frieden zu schaffen und endlich anzufangen aufzuhören mit dem verrückten Kriegsgeschehen." Auch dazu habe Gott den Menschen aus seiner Selbstbezogenheit befreit. Diese christliche Freiheit sei nicht die Freiheit des Egos, sie sei gebundene Freiheit, gebunden an die Liebe.
Thema: "Reformationsjubiläum 2017 - Christlicher Glaube in offener Gesellschaft"
Im Mittelpunkt der Tagung steht das Thema "Reformationsjubiläum 2017 - Christlicher Glaube in offener Gesellschaft". Auf der Tagesordnung stehen zudem Wahlen zur Kirchenleitung. Die Generalsynode wählt neun Mitglieder für sechs Jahre in dieses Gremium. Ihm gehören zudem der Präsident der Generalsynode, der Leitende lutherische Bischof, seine Stellvertreterin sowie ein weiteres Mitglied der Bischofskonferenz an. In der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche sind sieben lutherische Landeskirchen mit rund 9,5 Millionen Gläubigen verbunden.
Der lutherische Catholica-Beauftragte, Landesbischof Karl-Hinrich Manzke, legt dem Kirchenparlament seinen Ökumenebericht vor, der auch auf die vatikanische Familiensynode eingehen wird. Am Freitag beginnt in Bremen ebenfalls die Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen (UEK), die zwölf unierte und reformierte Kirchen mit zwölf Millionen Mitgliedern vereint. Die Synode der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD), bei der eine neue Führungsspitze gewählt wird, beginnt am Sonntag. Seit 2009 tagen die evangelischen Kirchenparlamente personell und zeitlich verbunden am selben Ort.