Diakonie und Straßenmagazine für Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe
02. Februar 2022
Die norddeutschen Straßenmagazine „Hinz&Kunzt“ (Hamburg) und „Hempels“ (Kiel) sowie die Diakonie machen sich für eine Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafen stark. Denn wer eine Strafe etwa für das Schwarzfahren nicht bezahlen kann, muss das Geld bisher im Gefängnis „absitzen“.
Die Magazine berichten darüber in ihrer Februar-Ausgabe und verweisen auf die Berliner Initiative „Freiheitsfonds“. Diese holt Menschen mit Hilfe von Spenden aus dem Gefängnis.
Nach Angaben von „Hinz&Kunzt“ saßen Mitte Januar in Hamburg neun Menschen wegen „Erschleichen von Leistungen“ hinter Gittern, davon waren sieben obdachlos. Drei Menschen hatte der „Freiheitsfonds“ zuvor aus der Justizvollzugsanstalt „freigekauft“.
Fast ausschließlich arme Menschen betroffen
Die Diakonie Schleswig-Holstein unterstützt die Initiative und fordert eine Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe. Eine solche Inhaftierung betreffe fast ausschließlich arme Menschen, sagte Diakonie-Landespastor Heiko Naß am Dienstag. „Wer es sich leisten kann, zahlt die 60 Euro erhöhtes Fahrentgelt und muss nicht ins Gefängnis.“

Im derzeitigen Hartz-IV-Regelsatz sind pro Monat 40,27 Euro für den Bereich „Verkehr“ vorgesehen. Ein Tagesticket kostet in Kiel aber zum Beispiel bereits 7,20 Euro, pro Monat also mehr als 200 Euro.
Naß fordert von der Kieler Landesregierung, Schwarzfahren nicht mehr als Straftat zu verfolgen. „Eine Einstufung als Ordnungswidrigkeit reicht hier völlig aus.“
Nach Angaben von „Hempels“ müssen in Deutschland jedes Jahr etwa 50.000 Menschen eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen. Die Hansestadt Bremen handele hier vorbildlich: Wer dort schon einmal wegen Beförderungserschleichung ins Gefängnis musste, erhält Monatskarten für den öffentlichen Nahverkehr.
Monatskarten oder gemeinnützige Arbeit als Alternative
„Hempels“ argumentiert auch volkswirtschaftlich: Ein Tag Haft koste das Land Schleswig-Holstein rund 170 Euro, eine Monatskarte im SH-Nahtarif dagegen nur 52,50 Euro. Der Jurist Bernd Maelicke plädiert in der jüngsten „Hempels“-Ausgabe für gemeinnützige Arbeit als alternative Sanktionsform.