Abschied von einer Unermüdlichen

Die Nordkirche trauert um Esther Bejarano

Bis ins hohe Alter diskutierte Esther Bejarano vor allem mit jungen Menschen über Demokratie, Rechtsextremismus und Antisemitismus. Die Auschwitz-Überlebende machte klar, dass ein solches Unrecht wie sie es erlebt hatte, nie wieder geschehen darf.
Bis ins hohe Alter diskutierte Esther Bejarano vor allem mit jungen Menschen über Demokratie, Rechtsextremismus und Antisemitismus. Die Auschwitz-Überlebende machte klar, dass ein solches Unrecht wie sie es erlebt hatte, nie wieder geschehen darf. © Philipp Reiss, epd

12. Juli 2021

Bis zuletzt erzählte die ehemalige Auschwitz-Insassin Esther Bejarano jungen Menschen ihre Lebensgeschichte und stand als Musikerin auf der Bühne. Nun ist die Mahnerin und Kämpferin für Menschenrechte im Alter von 96 Jahren gestorben. Ihr Tod reiße eine große Lücke, sagte Bischöfin Kirsten Fehrs.

Vertreter aus Politik und Gesellschaft und Kirche haben nach dem Tod von Esther Bejarano an deren Einsatz gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus erinnert. Die deutsch-jüdische Auschwitz-Überlebende war am Sonnabend in Hamburg im Alter von 96 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben.

Fehrs: "Eine Stimme gegen das Vergessen" 

"Mit ihrem Tod haben wir einen großen Verlust erlitten", schrieb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer Kondolenznote an die Kinder von Bejarano. Auch Bischöfin Kirstin Fehrs sagte, dass ihr Tod eine große Lücke reiße. Bejarano sei eine "aufrechte, mutige Streiterin für Demokratie und Menschenrechte" gewesens, so Fehrs. "Mich hat immer tief beeindruckt, wie sie bis ins hohe Alter mit einer sagenhaften Energie gegen Rechtsextremismus und Rassismus, ja gegen das Vergessen ihre Stimme erhoben hat."

Bejarano engagierte sich bis zuletzt im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus und suchte dabei vor allem das Gespräch mit Jugendlichen, um von den Verbrechen der Nazizeit zu berichten. Sie gründete das Auschwitz-Komitee und ermöglichte damit viele Bildungsreisen in ehemalige Konzentrationslager und Veranstaltungen gegen das Vergessen.

Eine Frau mit einer besonderen Gabe

Sie sei so zu einer legendären Zeitzeugin von Auschwitz geworden, sagte der Exekutiv Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner. "Ihre Gabe, Menschen für die Bewahrung der Erinnerung zu gewinnen, war ebenso legendär wie ihr Zorn über die Dummheit des Rechtsextremismus und den überall hervorbrechenden Antisemitismus, der sie zutiefst verstörte", fügte er hinzu.

Sie habe alles dafür unternommen, dass die schrecklichen Folgen des nationalsozialistischen Rassenwahns und die grauenhaften Auswüchse eines totalitären Staates nicht in Vergessenheit geraten, sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters.

Streitbar – für die Demokratie 

In Hamburg, Bejaranos letztem Wohnort, würdigte Bürgermeister Peter Tschentscher die Zeitzeugin als eine, die sich nie entmutigen lassen habe. So habe sie es sich zur Lebensaufgabe gemacht, für Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit einzutreten, so Bürgermeister Tschentscher. Unermüdlich habe sie an die Schrecken des Nazi-Regimes und die Ursachen von Ausgrenzung, Krieg und Gewalt erinnert. "Mit ihren oft streitbaren Wortmeldungen hat sie über viele Jahrzehnte wichtige Impulse für Demokratie, Erinnerungskultur und Gleichberechtigung gegeben." 

Der Hamburger Senat hatte ihre Verdienste 2020 mit der Ehrendenkmünze in Gold gewürdigt. Bereits 1994 hatte sie die Biermann-Ratjen-Medaille erhalten.

Friedensbotschafterin und Musikerin 

Die 1924 in Saarlouis als Tochter eines jüdischen Kantors geborene Esther Loewy wurde 1943 von den Nazis nach Auschwitz deportiert. Sie überlebte als Akkordeonspielerin im "Mädchenorchester", kam dann ins KZ Ravensbrück, konnte schließlich von einem "Todesmarsch" fliehen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs lebte Esther Bejarano einige Jahre in Israel, bevor sie 1960 mit ihrer Familie nach Deutschland zurückkam und sich in Hamburg niederließ.

Bejarano engagierte sich in der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" und im Internationalen Auschwitz Komitee. Sie ging zu Zeitzeugen-Gesprächen in Schulen und trat als Sängerin auf, seit 2009 vor allem mit der Rap-Gruppe Microphone Mafia aus Köln.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und frühere Zentralratspräsidentin der Juden, Charlotte Knobloch, sagte, Bejaranos "Geschichte und ihre Stimme werden nicht zu ersetzen sein, aber ihren Einsatz müssen wir alle weitertragen".

"Seid solidarisch und mutig!" 

Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) erinnerte an einen der letzten Auftritte Bejaranos in Hamburg am 8. Mai und beklagte den Verlust der "Mahnerin und Kämpferin für Menschenrechte, Frieden und eine solidarische Gesellschaft".

Bejaranos Familie und das Auschwitz-Komitee schrieben am Sonnabend, sie wollten in Zukunft Bejaranos Auftrag erfüllen: "Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht. Seid solidarisch! Helft einander! Achtet auf die Schwächsten! Bleibt mutig! Ich vertraue auf die Jugend, ich vertraue auf euch! Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!"

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