Die Telefon-Seelsorge Vorpommern hilft rund um die Uhr
20. September 2024
Die Ökumenische Telefon-Seelsorge Vorpommern besteht seit 30 Jahren. Sie hilft Menschen kostenfrei und niederschwellig, anonym und 24 Stunden am Tag an sieben Tagen die Woche. „Das gibt es sonst bei keiner Beratungsstelle“, sagt Leiterin Dagmar Simonsen.
Mehr zur Telefon-Seelsorge Vorpommern in Folge 8 des „ehren.wert“-Podcasts mit dem Titel „Zuhören – Seelsorge am Telefon“
Das Konzept der Telefonseelsorge ist zwar weit verbreitet, eine so hohe Erreichbarkeit ist jedoch ein Alleinstellungsmerkmal der Ökumenischen Telefonseelsorge Vorpommern (ÖTS), ist sich Simonsen sicher. Möglich macht es ein unermüdliches Team von Ehrenamtlichen, die in ihrer Freizeit ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Menschen haben.
Suizidprävention ist das Ziel
„Die ehrenamtlich tätigen Menschen am Telefon müssen stets wach sein für den lebensrettenden Anruf, das lebensrettende Gespräch“, betont sie. Suizidprävention gehöre zu den bedeutendsten Aufgaben der Telefonseelsorge.
Und Ulrike Mai von der Pressestelle der Bundesgeschäftsstelle der Telefon-Seelsorge Deutschland ergänzt: „Einsamkeit und psychische Erkrankungen zählen zu den häufigsten Themen, um die es bei den Anrufen geht. Einsamkeit kann krank machen, körperlich und psychisch.“
Neben der Seelsorge am Telefon bietet die Ökumenische Telefon-Seelsorge Vorpommern auch einen Chat an. „Wir wollen unseren Seelsorge-Chat noch weiter ausbauen und uns damit an die sich ändernden Kommunikationsgewohnheiten der Menschen anpassen. Doch leider stoßen wir hier derzeit technisch und personell an unsere Grenzen“, bedauert Dagmar Simonsen.
Derzeit arbeiten rund 40 Ehrenamtliche in Greifswald. Um den 24-Stunden-Dienst abzudecken, kooperiert die ÖTS mit Neubrandenburg. Zusammen sind etwa 80 Seelsorgende im Dienst.
Chat-Seelsorge hat Vorteile
„Zwar mag ein Chat manchen Menschen zunächst unpersönlicher erscheinen, unsere Erfahrung zeigt aber, dass ein Chat den Vorteil hat, dass er oft viel direkter an den Themen und Anliegen der jeweiligen Person dran ist“, ergänzt sie.
Aber ganz gleich, ob sich Menschen per Telefon oder Chat an die Seelsorge wenden, es gibt keine Vorbedingungen. Jeder und jede kann jederzeit anrufen oder chatten. Alles geschieht völlig anonym.
Es braucht eine gewisse Distanz
Auch der Raum, der dort tätigen Ehrenamtlichen ist von der Außenwelt abgetrennt. „Der geschützte Raum ist notwendig. Dieses Ehrenamt lässt sich nicht zuhause im Home Office ausüben, denn die Gespräche und Themen sollen nicht zu den Ehrenamtlichen in die eigenen vier Wände kommen, die notwendige Distanz muss erhalten bleiben“, so Dagmar Simonsen.
„Die Gespräche können eine enorme Belastung für die Ehrenamtlichen bedeuten. Daher ist es wichtig, dass alles in den Räumen der Telefonseelsorge bleibt. Beim Betreten der TS-Geschäftsstelle und dann nach dem Dienst beim Verlassen gehen wir gedanklich wie durch eine ‚Waschanlage‘ – der Alltag bleibt draußen, dann folgt der vierstündige Dienst und am Ende lassen wir die gehörten ‚Dinge‘ hier.“
Die gefühlt sich mehr und mehr häufenden Krisen weltweit haben nicht nur Einfluss auf die Anrufenden, sondern auch auf die Ehrenamtlichen. „Wir nennen das Phänomen ‚Stapelkrisen‘, weil immer mehr Krisen aufeinanderfolgen. Die Ehrenamtlichen bilden durch ihre gemeinsamen Erfahrungen und den intensiven Austausch ein enges Team, sie unterstützen und stärken sich gegenseitig und bilden eine besondere Gemeinschaft. Alle, die sich in der ÖTS engagieren, tun etwas zur Verbesserung des gesellschaftlichen Klimas“, ist Dagmar Simonsen überzeugt.
Ein kleiner Beitrag für ein besseres Miteinander
Und Ulrike Mai ergänzt: „Zwar kann auch die ÖTS dem Zeitgeist keine grundsätzlich andere Richtung geben, aber sie leistet einen wichtigen Beitrag für ein offeneres Miteinander und für die Stärkung der Demokratie.“
Die Motivation der Ehrenamtlichen, die sich bei der Telefonseelsorge engagieren, bestehe oft darin, dass sie etwas zurückgeben möchten, weiß die ÖTS-Leiterin. „Sie erlebten vielleicht selbst Krisen und Erfolge, konnten Notlagen meistern. Und das können und wollen sie weitergeben.“
Ehrenamtliche weiterhin gesucht
Interessierte, die es ihnen gleichtun möchten, sollten sich nicht vom Begriff der Seelsorge abschrecken lassen, meint Dagmar Simonsen. „Seelsorge, das ist das Mittragen der Anliegen der anrufenden Menschen. Und wir brauchen dringend mehr Menschen für diese wichtige Arbeit“, unterstreicht Dagmar Simonsen und beschreibt die Ausbildung zum Telefonseelsorger oder zur Telefonseelsorgerin als eine „lebensverändernde Erfahrung“. Die Ausbildung sei gleichermaßen anspruchsvoll wie sinnstiftend.