Die Trauer auf dem "Kummerkutter" ziehen lassen
19. November 2022
Kleine "Kummerkutter" aus Treibholz können beim Loslassen helfen, sagt Jan Roßmanek. Der Bestattungspastor von st.moment glaubt, dass wir zu wenig über das Sterben und unsere Wünsche für das Lebensende reden.
Das Lebensende darf kein Tabuthema sein, sagt Jan Roßmanek. Er ist der Bestattungspastor von st.moment, der Agentur der evangelischen Kirche in Hamburg für Trauung, Taufe und Bestattung. Wir sollten offener und öfter über den Tod sprechen, sagt der Pastor und macht Mut: „Wir können das mit einer Gelassenheit und auch Fröhlichkeit und Zuversicht angehen, denn dann haben wir auch eigene Gestaltungsmöglichkeiten.“
Dieser offene Dialog über das eigene Lebensende komme nur dann zustande, wenn Betroffene Ansprechpartner dafür finden, so Roßmanek, der genau das sein möchte. Seit er Pastor ist, seien die Kasualien, also das Begleiten von Menschen bei Taufe, Hochzeit oder Beerdigung, für ihn besonders schöne Momente seines Berufs. Und entgegen der Annahme vieler, empfinde er die Bestattung nicht als schwierigste Aufgabe, „denn als Theologen haben wir noch eine Botschaft, die dahintersteht“.
Auf gemeinsam Erlebtes froh zurückschauen
Zum Abschied gehöre der traurige Blick darauf, dass ein geliebter Mensch gegangen sei, ebenso dazu wie der fröhliche Blick auf das gemeinsam Erlebte, sagt Roßmanek. Und den Hinterbliebenen dann die Hoffnung mitgeben zu können, dass „die Geschichte nicht zu Ende ist, dass der Tod nicht das letzte Wort hat“, mache die Bestattung für ihn zu etwas Schönem. Sagen zu können, „dass wir diesen lieben Menschen jetzt in Gottes Hände übergeben“.
Zu oft sei der Gedanke an den Tod unbehaglich, glaubt Roßmanek. So werde das Thema immer wieder verschoben - „das mache ich morgen“. Doch vielleicht sei es dann zu spät und die Hinterbliebenen stünden vor offenen Fragen, die sehr einfach nach den eigenen Wünschen beantwortet werden können, so der Bestattungspastor.
Entscheidungen wie Erdbestattung oder Urne, bunte Kleidung oder klassisch schwarz setzten die Angehörigen unter einen unnötigen Druck, sagt Roßmanek und betont, dass das der Normalfall bei Trauergesprächen sei. Die Begründung sei häufig gleich: „Wir haben uns nicht getraut, darüber zu sprechen.“ Roßmanek sagt, dass er es verstehen könne, dass „wir die Lieben nicht damit konfrontieren möchten“, sogar dann, wenn der Tod absehbar sei.
Sterben betrifft uns alle
Dennoch sei die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben wichtig, „weil es uns alle betrifft“, sagt der Bestattungspastor. Inzwischen gebe es die unterschiedlichsten Gestaltungsmöglichkeiten, zum Beispiel in Bezug auf den Ort der Trauerfeier. Es müsse schon längst nicht mehr die Kapelle sein, „sondern es kann mitten auf dem Fußballplatz oder im Lieblingscafé des Verstorbenen sein“. Wichtig sei, sich darüber bewusst zu sein, dass es keine Vorschriften für die Gestaltung der Trauerfeier gebe, so Roßmanek.
Ihm und dem Team von st.moment sei es wichtig, die Menschen rund um Taufe, Trauung und Bestattung, also auf dem Weg, zu begleiten. So sei auch sein Instagram-Account @kummerkutter zu verstehen. „Auf dem Kummerkutter wird viel über das Sterben und den Tod berichtet, aber auch über das Leben davor und danach“, sagt Roßmanek.
"Kummerkutter" - Schiffe aus Treibholz
Hinter dem Namen „Kummerkutter“ stecke außerdem ein Angebot rund um ein Stück Treibholz, das Angehörige nach ihren Wünschen gestalten können. Für viele Trauernde sei es gut, „etwas mit den Händen zu gestalten“ und währenddessen zwanglos ins Gespräch mit anderen Betroffenen zu kommen, so der Pastor.
Die „Kummerkutter“ sollen die Trauer im Anschluss eigentlich auf einem Gewässer forttragen, doch viele Familien nehmen sie erst mal mit nach Hause, sagt Roßmanek. Der Kummer sei dann noch zu dicht, um ihn loszulassen, „doch eines Tages komme der Moment, an dem die Angehörigen sie ziehen lassen“.