Ehrenamtliche tragen unsere Kirche - Großes Fest in Rostock
15. Mai 2023
Sie begleiten Flüchtlinge zu Behörden- und Arztbesuchen, sie sammeln Spenden für Aidswaisen in Tansania, sie backen Kuchen für interkultuelle Cafés: Ohne ehrenamtliches Engagement wäre das Gesicht unserer Kirche ärmer.
Hier geht es zu unserer Sonderseite "Engagment und Spenden"
Weit über 70 000 Menschen bringen sich Jahr für Jahr in unsere Kirche ein: Mal für einen Tag oder auch für einen längeren Zeitraum. Mal mit Geld, vor allem aber mit ihrer Zeit und ihren Ideen. In Rostock ist das Engagement dieser Menschen am Samstag mit einer "Welt.Mahl.Zeit", die die Ökumenische Arbeitsstelle des Kirchenkreises Mecklenburg organisiert hat, gewürdigt worden.
Mehr als 120 Menschen sind gekommen, sie wurden bedient mit einem Vier-Gänge-Menü, es gab Musik und Gespräche. Bischof Tilman Jeremias hielt eine Laudatio.
Ehrenamtliche: Was motiviert sie, was bewegt sie?
Mit sechs der vielen Ehrenamtlichen, die sich für ein friedliches Zusammenleben von Menschen aus aller Welt in unserer Region und für eine weltweit gerechtere Verteilung des Reichtums engagieren, hat Annette Klinkhardt gesprochen.
Hier stellt sie die Menschen und ihre Arbeit vor:
Lothar Brockmöller ist seit 2004 gemeinsam mit seiner Frau Heike im Güstrower Tansaniakreis: „Es fing an mit einem Aidswaisenprojekt“
"Gleich nach der Wende hatten wir einen Eine-Welt Arbeitskreis gegründet. Weil wir der Meinung waren, wir leben auf der reichen Seite der Welt und andere haben es nicht so gut und es müsste doch versucht werden, den fairen Handel in Gang zu bringen und über Projektarbeit in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Mehr über die Partnerschaft der Nordkirche mit der Lutherischen Kirche in Tansania
Über Vermittlung durch den damaligen Ökumene-Pastor kam die Partnerschaft mit der Kirchengemeinde Mtii in Tansania zustande. Meine Frau und ich sind von Anfang an dabei. Wir sind 12 Mitglieder und gehören zur Güstrower Domgemeinde.
Weitere Informationen über den Güstrower Tansaniakreis hier.
Es fing an mit einem Aidswaisenprojekt. Die Eltern waren an Aids gestorben und die Kinder lebten jetzt entweder bei ihren Großeltern oder nur der Großmutter. Dann haben wir die Frage gestellt, wie könnten wir euch besser helfen, sollte es ein Waisenhaus sein oder sollte es eine Unterstützung in der Gemeinde sein.
Wir waren froh, dass sie sich gegen ein Waisenhaus entschieden haben, denn dann wäre es zur Abschottung gekommen."
Wir haben dann Streetworker ausbilden lassen, die sich um die Waisen vor Ort gekümmert haben und von uns bezahlt wurden. Das lief sehr gut. Das Geld ist alles über Spenden gekommen. Da kommt einiges zusammen, weil die Leute merken: Das geht direkt dort hin.
Joana Winkler, engagiert sich für geflüchtete Frauen: „Was ich zurückkriege, kann man mit Geld nicht aufwiegen“
"Ich engagiere mich in Bad Doberan in der Frauenarbeit, teilweise bezahlt als Sprachlehrerin und darüber hinaus in verschiedenen Frauengruppen. Da geht’s darum, dass man einen Raum der Begegnung schafft, wo die Frauen sich wohlfühlen und ihre Sorgen erzählen können.
Die Frauen, die im Alltag jetzt Hilfe brauchen, kommen hauptsächlich aus Afghanistan, Irak, der Ukraine und Russland. Manche kommen regelmäßig zu den verschiedenen Veranstaltungen - im Gemeindehaus Bad Doberan ist immer viel los - und man merkt, dass viele sich wirklich dort wohlfühlen.
Wir arbeiten sehr engmaschig mit den Integrationsberaterinnen zusammen."
Die Kirche ermöglicht uns, dass wir das Café in der Gemeinde machen können. Der Betrieb steht auf den Schultern ehrenamtlich engagierter Frauen, die in der Kirche aktiv sind. Man kann das nicht trennen.
Vera Schwarz, engagiert sich für Geflüchtete aus der Ukraine: „Wir können uns gar nicht vorstellen, was sie durchgemacht haben“
"Ich unterrichte jetzt seit einem Jahr Deutsch für die ukrainischen Flüchtlinge in Linstow. Ich bin Mitglied im Linstower Heimatverein, in dem es um das Schicksal der vertriebenen Wolhynier geht, und war früher Sprachenlehrerin für Englisch und Russisch. Anfangs hatten wir 10, 12 Schülerinnen und Schüler, dann wurden es weniger. Einige haben Arbeit gefunden und sind umgezogen.
Über den Unterricht hinaus kann ich sehr viel ehrenamtlich helfen: Ich habe Erfahrung mit Ämtern, mit Ärzten und all diesen Behörden, die wichtig sind. Ich habe gute Verbindungen und versuche, dass ich die Geflüchteten in Arbeit bringe.
Wir wissen gar nicht, was diese Menschen erlebt haben. Die sind ja ohne irgendetwas hergekommen, die hatten ja nichts. Wir haben ihnen Kleidung gegeben und Möbel. Das wurde alles organisiert, auch von der Kirchengemeinde."
Als ich die ersten Stunden Unterricht gegeben habe, habe ich gedacht, Vera, was machst du hier, das kannst Du gar nicht stemmen. Ich bin kein Psychologe! Aber jetzt, wenn man das so sieht, sie sind fröhlicher geworden, sie sind aufgeschlossener.
Josefine Engelmann (17), engagiert sich seit einem halben Jahr im Treffpunkt Suppenküche: „Es macht Spaß, wirklich!“
Mehr zur Arbeit der Suppenküche Bad Doberan
"Jeder kriegt seine Aufgaben oder Bereiche, die er gerne machen möchte. Ich mache als Küchenhilfe alles, ich helfe dem Koch und mache alles Mögliche im Hintergrund. Wir haben zwischen 25 und 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Stammkunden haben wir so etwa 40, im Sommer kommen sogar um die 200 Gäste täglich, wenn nicht sogar mehr."
Claus Oellerking schreibt Porträts von Menschen aus Schwerin: „Was man zurückbekommt, ist Wahnsinn!“
"Ich habe 2015 spontan angefangen, Flüchtlingen aus Syrien zu helfen. Und es hat mich unheimlich gestört, dass viele Leute sehr abwertend über Flüchtlinge gesprochen haben oder glaubten, Schwerin sei eine besonders deutsche Stadt.
Dabei ist die Realität eine andere. In Köln würde die Müllabfuhr zusammenbrechen und in Schwerin die medizinische Versorgung. Wenn die Leute ins Theater gehen, dann tanzen dort Leute aus der ganzen Welt. Die Musiker kommen aus fünf Nationen.
In dem Zuge ist auch die Idee zum Podcast entstanden. Der heißt „Man müsste mal…“ und Andreas Lußky und ich laden immer Gäste ein, die nicht nur sagen, oh, man müsste jetzt echt mal, sondern die was tun. In einer der letzten Folgen habe ich mit jemandem gesprochen, der sich engagiert für einen Skatepark für junge Leute.
Und wenn ich Leute frage, aus wie vielen Ländern die Menschen in Schwerin stammen, kommt als Standardantwort immer eine Zahl zwischen 25 und 30. Die Statistik sagt 102, und es sind natürlich bedeutend mehr Menschen.
Ich bin dann eines Tages zur Schweriner Volkszeitung gegangen und habe gesagt, wenn Sie die Vielfalt in Schwerin darstellen wollen, dann stellen Sie diese Personen über einen Zeitraum von zwei oder drei Jahren vor."
Der Chefredakteur meinte, dann schreiben Sie die Texte doch. Das war 2019. Inzwischen haben wir 97 Personen aus 97 Ländern jeweils auf einer ganzen Seite porträtiert. Die 100 will ich noch schaffen.
Theresia Michael (19), engagiert sich beim Verein Tutmonde: „So viele unterschiedliche Perspektiven“
"Ich engagiere mich, seit ich 14 bin, bei Tutmonde in Stralsund, einem Verein mit Schwerpunkt Migration, Feminismus und Kinderschutz. Die meisten Mitarbeiterinnen bei uns sind geflüchtete Frauen, wir haben direkt die migrantische Perspektive aus dem Iran, Syrien, Kurdinnen aus der Türkei, aus der Ukraine, Kolumbien.
Dieses Jahr bin ich in den Vorstand eingetreten. Im Moment arbeite ich mit einer Berliner Journalistin zusammen an einem Projekt namens „Iwoman“. Da porträtieren wir Frauen aus Ostdeutschland in ihrem Alltag und stellen ihre Arbeit vor. Frauen aus aller Welt, die in Ostdeutschland leben.
Es haben sich schon ganz viele Frauen bei uns gemeldet, die ihre Geschichte erzählen wollen, auch eine Zahnarzthelferin oder eine Fotografin aus Afghanistan.
Als ich mit 14 angefangen habe, stand der Verein ganz am Anfang, meine Mutter ist dann später Geschäftsführerin geworden. Damals habe ich zusammen mit anderen eine Broschüre gemacht, die heißt „Nachhaltigkeit nur mit uns“.