Einkauf im Sozialkaufhaus: Weil das Geld zum Leben sonst nicht reicht
20. Juli 2023
Gebrauchte Waren zum kleinen Preis - das ist das Prinzip der etwa 40 Sozialkaufhäuser in Schleswig-Holstein. Durch die Inflation verzeichnen die Träger eine höhere Nachfrage. Doch nicht jeder darf in jedem Sozialkaufhaus einkaufen.
Als vor sieben Jahren der Mann von Rita Schneider (*Name von der Redaktion geändert) starb, wurde das Sozialkaufhaus in Ahrensburg (Kreis Stormarn) für sie eine wichtige Anlaufstelle. Seitdem muss sie von 1.200 Euro Rente im Monat leben, 700 Euro gehen schon für die Miete drauf. Viele Alltagsgegenstände kauft die 64-Jährige in dem Kaufhaus, darunter Kleidung, Elektrogeräte und Küchenzubehör. „Bevor ich zu Mediamarkt fahre, gucke ich erst hier“, sagt Rita Schneider.
Funktionstüchtig und zum kleinen Preis
Anders als in einem üblichen Kaufhaus sind alle Waren in Sozialkaufhäusern gebraucht. Sie wurden gespendet, sind zum Teil aus der Mode gekommen, aber funktionstüchtig und zum kleinen Preis erhältlich. Das Sortiment reicht vom Kaffeeservice über Wohnzimmermöbel bis hin zu Betten, Kleidung, Spielzeug und Elektrogeräten.
An die 40 Sozialkaufhäuser gibt es in Schleswig-Holstein. Zu den Trägern gehören in erster Linie Wohlfahrtsverbände. Die Diakonie Altholstein etwa betreibt fünf Sozialkaufhäuser in Neumünster, Bordesholm, Wilster, Hohenwestedt und Bad Bramstedt.
Ihr Angebot richtet sich nur an sozial Bedürftige mit einem entsprechenden Nachweis. Dafür bezieht die Diakonie Zuschüsse vom Jobcenter, das ihr Langzeitarbeitslose zuweist, die sich über die Arbeit im Sozialkaufhaus wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt integrieren sollen.
Arbeit für Langzeitarbeitslose
„Ohne die Mitarbeiter vom Jobcenter könnten wir den Betrieb nicht aufrechterhalten“, erklärt die Leiterin des Sozialkaufhauses in Neumünster, Diana Lenz. Zur Stammbelegschaft gehören acht feste Mitarbeiter und 16 Ehrenamtliche. Bis zu 48 Langzeitarbeitslose bekommt Lenz zudem vom Jobcenter zugewiesen, die maximal drei Jahre bleiben. „Die Leute denken, sie geben hier ihre Spenden ab und wir stellen die ins Regal. Dabei sind viele Arbeitsschritte nötig.“
In den hinteren Räumen des ehemaligen Supermarktes sortieren die Beschäftigten die abgegebenen Waren. Zwei Mitarbeiterinnen begutachten eine Bettwäsche mit dem Konterfei des kanadischen Popsängers Justin Bieber. Da sie weder Löcher noch Flecken aufweist, wird sie gefaltet und ins Lager gebracht.
Dort stehen hohe Regale mit beschrifteten Kisten für Wäsche, Geschirr, Spielzeug, Kleidung und Bücher. Nebenan reparieren Mitarbeiter an Werkbänken defekte Gegenstände. Schmutziges Geschirr wird vor der Einlagerung gereinigt. Eine Schneiderin näht aus Stoffresten Taschen, die ebenfalls verkauft werden. Die Diakonie bietet zudem Haushaltsauflösungen an, für die Fahrer und Möbelträger nötig sind.
Diana Lenz und ihr Team legen Wert darauf, die Waren ansprechend zu präsentieren. Im Foyer gibt es ein Café, in dem sich einige Menschen an diesem Tag zum Kaffeetrinken oder Mittagessen verabredet haben.
Anders als in Neumünster darf im Sozialkaufhaus Ahrensburg jeder einkaufen, weil der Trägerverein keine öffentlichen Gelder erhält. Der 65-jährige Bodo Völzke gründete vor 20 Jahren den gemeinnützigen Verein „VILM“ (Verein zur Integration langzeitarbeitsloser Menschen), der inzwischen Träger von drei Sozialkaufhäusern im Kreis Stormarn ist.
Die sechsköpfige Stammbelegschaft wird ergänzt durch Ehrenamtliche und geringfügig Beschäftigte. „Wir versuchen, jedem eine Chance auf Arbeit zu geben. Wir beschäftigen auch Menschen, die bei uns ihre Sozialstunden ableisten oder die gerade aus dem Gefängnis kommen. Das Spektrum ist groß“, sagt Völzke.
Mitarbeit zum Rente aufbessern
Inzwischen arbeitet auch Rita Schneider im Sozialkaufhaus Ahrensburg, um ihre Rente aufzubessern. Sie nimmt Waren an, zeichnet sie aus, kassiert und berät die Kundinnen und Kunden. 80 bis 90 Prozent der Kundschaft seien sozial bedürftig, sagt Völzke. „Die restlichen Kunden helfen uns, über die Runden zu kommen. Die kaufen die antiken Möbel, die etwas teurer sind.“
Mehr Kunden im Sozialkaufhaus
Sowohl das Sozialkaufhaus in Ahrensburg als auch die Sozialkaufhäuser der Diakonie Altholstein verzeichnen eine steigende Nachfrage. Ins Sozialkaufhaus Neumünster kommen mit knapp 5.000 Menschen monatlich fast 1.700 Kunden mehr als noch 2022. Einen Grund dafür sehen die Träger in den Lebenshaltungskosten, die durch den Ukraine-Krieg gestiegen sind. „Für eine Alleinerziehende, die ihre Kinder einkleiden muss, wird es nun richtig eng“, sagt Völzke.