EKD-Ratsvorsitzende: „Im zerstrittenen Europa steht die Einigkeit wieder auf“
03. März 2022
Die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine die Geschlossenheit in Europa betont. Unterdessen bitten Hilfsorganisationen weiter um Spenden für die vom Krieg betroffenen Menschen.
EKD-Themenseite: Frieden für die Ukraine
Annette Kurschus in der Morgenandacht DLF
„Im zerstrittenen Europa steht die Einigkeit wieder auf“, sagte die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus am Mittwoch in der Morgenandacht im Deutschlandfunk. Die Schweiz höre auf, sich mit Berufung auf ihre Neutralität auszuschließen. „Die osteuropäischen Aufnahmemuffel, die sich vor Geflüchteten abgeschottet hatten, öffnen ihre Grenzen für ihre fliehenden Nachbarn“, so Kurschus. Bis Dienstag seien schon fast 700.000 Menschen aus der Ukraine geflohen, und es würden mehr. „Wir werden ihnen beistehen, unbedingt“, sagte Kurschus.
Es kommt auf uns an, den leidenden Menschen in der Ukraine, den verängstigten Menschen in unseren Nachbarländern, unsere Solidarität zu zeigen, keine billige, sondern eine, die uns etwas kostet. Es kommt auf uns an, den Menschen in Russland, die sich gegen den Krieg stellen, unsere Achtung zu bezeugen. Es kommt auf uns an, den Menschen, die flüchten, zu helfen und ihnen Wege zu öffnen, damit sie ihr Leben retten können. Annette Kurschus, EKD
Knapp eine Woche nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine warnen Hilfsorganisationen vor einer Verschärfung der humanitären Krise. In Kiew werde die Versorgung mit Medikamenten und Nahrung zunehmen schwierig, berichtet Caritas International.
Dringende Bitte um Geldspenden
Zur aktuellen Situation in der Ukraine erklärt der Hamburger Diakonie-Chef Dirk Ahrens kürzlich: „Zu unserer Solidarität gehört es, dass die Diakonie Katastrophenhilfe vor Ort ist, etwa in Polen und in Rumänien, und sich einsetzt für die vielen Flüchtlinge, die über die Grenzen kommen.“
„Die Diakonie Katastrophenhilfe tue dies kompetent und mit örtlichen Partnern, mit denen sie schon lange zusammenarbeitet. Die Hilfe für Flüchtlinge in den Nachbarländern der Ukraine mit Geld zu unterstützen, ist im Moment das Beste, was wir von Hamburg aus tun können. Daher bitte ich um Spenden für die Diakonie Katastrophenhilfe“, so Ahrens.
„Stündlich steigt die Zahl der Menschen, die über die Grenzen nach Polen, Rumänien, Ungarn, in die Slowakei und die Republik Moldau fliehen“, berichtet der Direktor des Hilfswerks, Martin Keßler. „Wir rechnen damit, dass der Bedarf an Hilfe noch deutlich zunehmen wird.“
Bereits vergangene Woche wurde ein Nothilfefonds der Diakonie Katastrophenhilfe mit zunächst 500.000 Euro aufgelegt. „Unsere Partner in der Ukraine und den Nachbarländern können so schnell und unbürokratisch Nothilfe leisten“, erläutert Michael Frischmuth, Leiter Programme Diakonie Katastrophenhilfe. Zu den Soforthilfen gehören Nahrungsmittel, Trinkwasser oder die Bereitstellung von Notunterkünften. Gemeinsam mit Partnern in Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn werden aktuell weitere Hilfsmaßnahmen geplant.
„Wir konzentrieren unsere Hilfe zunächst auf die Menschen, die nach Polen und in andere Nachbarländer fliehen. An den Grenzen warten Zehntausende Menschen bei klirrender Kälte“, sagt Frischmuth. „Für die Menschen, die in die Nachbarländer geflohen sind, bereiten wir Bargeldhilfen vor, so dass sie sich lebenswichtige Güter nach Bedarf kaufen können.“
Sachspenden überlasten Hilfsorganisationen
Auch Caritas International appelliert an die Bevölkerung, zur Unterstützung der Menschen in der Ukraine Geld zu spenden. Sachspenden, wie gebrauchte Kleidung oder gebrauchte Kuscheltiere, seien oft nicht bedarfsgerecht und überforderten die Hilfsorganisationen, sagte der Ukraine-Referent von Caritas International, Gernot Krauß, am Mittwoch im WDR-Morgenecho. Viele Sachspenden seien „im Augenblick ziemlich sicher nicht das Richtige, weil es einfach auch zu viel ist“. Busse und LKW mit Sachspenden stellten die Hilfsorganisationen vor große logistische Herausforderungen, sagte Krauß weiter: „Das muss ja alles auch in Empfang genommen und sortiert und den Bedürftigen zugewiesen werden.“
Humanitäre Lage in der Ukraine spitzt sich zu
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR warnt vor der möglicherweise größten Flüchtlingskrise in Europa in diesem Jahrhundert. Man gehe davon aus, dass hunderttausende Menschen innerhalb des Landes vertrieben wurden und bis jetzt über eine Million Menschen die internationalen Grenzen überquert haben.
Kirchentag hilft mit Material für Flüchtlingsunterkünfte
Auch der Deutsche Evangelische Kirchentag ruft dazu auf, die Arbeit humanitärer Hilfsorganisation für die Ukraine zu unterstützen und an Friedensgebeten und -demonstrationen teilzunehmen. „Wer die eigene Freiheit verteidigt, bedarf der Unterstützung aller, die jetzt in Freiheit leben“, heißt es in einer Erklärung des Präsidiumsvorstandes. Aus den Lagerbeständen für Gemeinschaftsunterkünfte stellt der Kirchentag Hilfsorganisationen Material für die Ausstattung von Flüchtlingsunterkünften zur Verfügung.
Kiel: Flüchtlingsbeauftragter lobt Hilfsbereitschaft
Der schleswig-holsteinische Flüchtlingsbeauftragte Stefan Schmidt hat die große Hilfsbereitschaft im Land für die ukrainischen Flüchtlinge gelobt. „Unsere Gesellschaft scheint momentan über sich hinauszuwachsen“, sagte Schmidt kürzlich in Kiel. Auch in seinem Büro seien Anfragen von Menschen eingegangen, die privat Geflüchtete aufnehmen möchten. Schmidt begrüßt auch, dass das Land Geflüchteten unbürokratisch die Möglichkeit einräumt, vorläufig zu bleiben und nicht sofort ein Asylverfahren eingeleitet wird.
„Leider erreichen uns auch einzelne besorgte Stimmen, die fürchten, dass Aggressionen bei uns fortgeführt werden könnten“, so Schmidt. Er appelliert deshalb an Russen, Ukrainer und Deutsche, sich weiter für ein friedliches Zusammenleben einzusetzen.