Pastor Lars-Robin Schulz – Kirche im Dialog

„Es hängt nicht an Pastor:innen, ob irgendwo Kirche passiert“

Lars-Robin Schulz ist überzeugt davon, dass unsere Kirche Autonomie zulassen muss. Wer selber machen dürfe, gehe mit Kreativität und Tatendrang ans Werk, meint er.
Lars-Robin Schulz ist überzeugt davon, dass unsere Kirche Autonomie zulassen muss. Wer selber machen dürfe, gehe mit Kreativität und Tatendrang ans Werk, meint er. © Julia Krause, Nordkirche

04. Dezember 2023 von Julia Krause

Lars-Robin Schulz ist der Neue bei „Kirche im Dialog“: Der Pastor ist seit einem halben Jahr an Bord und entwickelt dort zusammen mit seiner Kollegin Diana Freyer etwa Projektideen zu einer kirchlichen Willkommenskultur. Was ein BVG-Ticket und der Wunsch nach Autonomie damit zu tun haben, erzählt er hier.

Manchmal sind es keine bewussten Entscheidungen, sondern Zufälle, die die Weichen für das spätere Leben stellen. Im Fall von Lars-Robin Schulz könnte man es auch Pragmatismus nennen: Frisch aus dem Fränkischen nach Berlin gezogen, arbeite er ab 2005 als Regieassistent und Inspizient am Theater. Die Krankenversicherung war teuer, das BVG-Ticket für den Öffentlichen Nachverkehr auch. Die Lösung bot ein kostenloses Studententicket. „Ich wollte mich für VWL und historische Linguistik einschreiben, aber mein Abi war zu schlecht. Und dann kam der Drittwunsch: Theologie“, sagt er schmunzelnd.

Verstehen, wie die Leute ticken

Der Funke sprang über – das Theologie-Studium packte ihn, genauso wie die Linguistik und Sprechwissenschaft. Heute ist er froh über diese ungewöhnliche Kombination, die ihm früh viele Arbeitsfelder in der kirchlichen Organisationsberatung und dem Changemanagement eröffnete. Was noch fehlte, war die Gemeindearbeit. „Du musst verstehen, wie die Leute ticken, um aus der Praxis Dinge einbringen zu können“, sagt Schulz rückblickend.

Also wird er Vikar, geht zuerst nach Wismar, später als Dorfpastor nach Kittendorf und Möllenhagen-Ankershagen und schließlich nach Hohen Viecheln in Mecklenburg-Vorpommern. Es sind nicht gerade Orte, in denen es die evangelische Kirche leicht hat: die Kirchenmitgliedschaft ist gering, Pfarrsprengel werden zusammengelegt, die Wege länger, die Personaldecke dünner. Dazu stellte die Corona-Krise 2020 alles auf den Kopf.

Doch was anfangs nach Katastrophe aussieht, nimmt Schulz als Glücksfall auf. „Wir mussten alles anders machen. Und es haben sich großartige Dinge entwickelt: Die Leute haben sich selber überlegt, worauf sie richtig Bock haben und das durchgezogen“, resümiert er.

Ehrenamtliche haben es drauf

Als Dorfpastor wird er derjenige, der den Ehrenamtlichen das Mandat zum „Selbermachen“ erteilt. Und es funktioniert: Das Gemeindeleben blüht auf. „Hinter jedem Pastor, jeder Pastorin stehen mindestens sechs leitende Ehrenamtliche. Und die haben alle mal gesagt, dass sie was bewegen wollen“, erklärt Schulz seinen Ansatz. „Es hängt nicht nur an Pastor:innen, ob irgendwo Kirche passiert.“

Umgekehrt sei es aber ein Problem, wenn man engagierten Leute nichts zutraue und keinen Ausbruch aus tradierten Strukturen wage. „Die stumpfen ab“, bis sich irgendwann gar nichts mehr bewege, so Schulz.

‚Selber machen‘ wird zum Credo

Und so lautet eine seine Grundüberzeugungen, die er in den Arbeitsbereich „Kirche im Dialog“ mitgebracht hat, dass unsere Kirche Autonomie zulassen muss. Fast alle Projektideen, die er ausgebreitet vor sich in seinem Büro liegen hat, drehen sich darum.

Da ist etwa das Projekt Pfarrgarten: Fast jede ländliche Gemeinde hat einen, oft wird er kaum genutzt, obwohl er wunderschön ist. Warum also nicht mehr daraus machen? Zum Beispiel mit einem Café, in das die Leute gerne kommen, sich austauschen, vernetzen, neue Pläne schmieden. So geschehen ist es in Hohen Viecheln. Die Initiative ergriffen die Ehrenamtlichen. „Ich habe als Pastor die Lizenz erteilt und gesagt: ja, macht das! Ich sorge dafür, dass ihr einen Hygieneschein bekommt und das Geld ordnungsgemäß abgerechnet wird, und alles andere macht ihr: Ihr habt Tische und Stühle en masse, ihr habt Kaffeemaschinen und ihr habt Leute, die geile Torten backen können.“

Eine Kirche, die was schenken kann

Am Ende des Jahres hätten 80 Leute an diesem Projekt gearbeitet, von denen er 50 noch nie zuvor gesehen habe. „Die hatten mit Kirche nicht viel am Hut, fanden aber das Projekt gut und haben darin unsere Kirche vertreten. Und das finde ich so schön: Die sind durch die Gastfreundlichkeit reingespült worden. Und daran will ich weiterarbeiten“, sagt Schulz. „Eine Kirche, die nicht auf den Mitgliederstatus guckt, sondern die sich verschenkt, in dem Vertrauen, dass alles wieder reinkommt.“

Nach ähnlichem Muster sollen auch weitere Projektideen umgesetzt werden: „Lost Places“ heißt eines, bei dem alte Pfarrscheunen oder Gutshäuser aus DDR-Zeiten zu Treffpunkten werden. Kinoabende, Lesungen, besondere Dinner – all das sei dort in einem ungezwungenen Rahmen möglich. Die jeweilige Kirchengemeinde steht dort nicht im Mittelpunkt, sondern ist eher ein Hintergrund, der ein besonderes Freizeitvergnügen mit Tiefgang ermöglicht.

Lockerer Umgang, ernsthaftes Anliegen

Auch das Projekt „Krimis aus der Bibel“ funktioniert mit der Kirche als Entertainerin: in alten Gutshäusern werden Bibeltexte als Kulturformat vorgetragen. Es soll spannend und unterhaltend sein – aber eben nicht ideologisierend. Eine solche Willkommenskultur habe auch Einfluss auf das gesamte soziale Gefüge im Dorf, ist Schulz überzeugt. „So etwas bricht Bubbles auf und de-radikalisiert – wenn man Orte hat, an denen man zusammenkommen und einfach von Tisch zu Tisch was rüber rufen kann.“

Ein anderes Format von „Kirche im Dialog“ will Menschen dazu anregen, sich um Vorsorge-Themen zu kümmern. Unter dem Motto „Hinter‘m Horizont geht’s weiter“ können sich Menschen bei Sekt und Snacks darüber informieren, welche Bestattungsformen es gibt und was sie mit einer Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht im Vorfeld regeln können, um Angehörigen und sich selbst eine Last zu nehmen.

Kernkompetenzen clever nutzen

„Trauergespräche scheitern manchmal daran, dass die Leute sagen: Ich weiß nicht, was die Mutti wollte…“, erklärt Pastor Schulz. Seiner Erfahrung nach würden fast alle Menschen gern die Bestattungsform und den Ort vorab klären, trauen sich aber oft nicht, darüber offen zu sprechen. „Hier hat die Kirche eine Kernkompetenz, die sie oft verschenkt“, ist er überzeugt und ergänzt: „Wir haben eine unglaubliche Credibility bei den Themen Tod und Trauer.“

Und genau die möchte „Kirche im Dialog“ nutzen: Zu den zweitägigen Veranstaltungen werden je eine Bestatter:in und eine Notfallmediziner:in geladen. Beide erläutern, wie Vorsorgen so getroffen werden können, dass die eigenen Wünsche für alle Beteiligten klar und verbindlich sind. Die Resonanz sei hervorragend, der Workshop schnell ausgebucht und das Ergebnis überzeugend, so Pastor Schulz: Am Ende hätten von 30 Personen 22 ihre Unterlagen fertig ausgefüllt.

Kirche im Dialog liefert Zutaten, gebacken wird woanders

Anders als bei den Entertainment-Formaten setzt „Kirche im Dialog“ hier ganz bewusst auf ein tradiertes Kirchenbild, das besagt: Sie kennt sich wie keine andere Institution mit dem Tod aus. „Die Türen gehen für uns einfacher auf, als wenn ich so etwas privat organisieren würde“, bringt Schulz den Vorteil auf den Punkt.

Damit das Modell Nachahmer findet, liefert „Kirche im Dialog“ passende Materialien und vermittelt Kontakte. Wie bei allen bestehenden Projekten versteht der Arbeitsbereich sich jedoch eher als Ideengeber denn als Eventagentur. „Bei uns gibt es das Rezept und die Zutaten – aber es können natürlich immer Anpassungen vorgenommen werden. Das Ganze lebt von einem Open-Source-Gedanken“, erläutert Schulz. 

Menschen in den Gemeinden sind entscheidend

Was bleibt, sei der Grundgedanke von „Kirche im Dialog“: „Forschen, Inspirieren, machen!“, so Lars-Robin Schulz. Die eigentliche Innovation sei am Ende aber nicht der aufgewärmte Impuls von woanders, sondern das, was die Menschen in den Gemeinden daraus machten.

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