Pädagogik

Gegen veraltete Rollenbilder: Genderkoffer für Kindertagesstätten

Fans vom Genderkoffer: (v.l.) Kolja Makurath, Propst Kurt Riecke, Kitaleiterin Kirsten Greiß, Pastorin Natascha Hilterscheid und Gemeindepastorin Stefanie Kämpf.
Fans vom Genderkoffer: (v.l.) Kolja Makurath, Propst Kurt Riecke, Kitaleiterin Kirsten Greiß, Pastorin Natascha Hilterscheid und Gemeindepastorin Stefanie Kämpf.© Stefanie Rasmussen-Brodersen

26. April 2021 von Stefanie Rasmussen-Brodersen

Draufgängerische Jungs in Blau und brave Mädchen in Rosa? Schluss mit solchen Schubladen will der sogenannte Genderkoffer für Kindertagesstätten im Kirchenkreis Altholstein machen. Darin tummeln sich starke Mädchen, liebevolle Jungs und noch einiges mehr. Die Bordesholmer Christuskita will damit veraltete Rollenbilder angehen.

Im Genderkoffer stecken Vorlesebücher, Spielvorschläge und Fachliteratur, Kitas können ihn beim Kirchenkreis Altholstein ausleihen. Da gibt es Herrn Seepferdchen, der fürsorglich seine Kinder großzieht, eine Prinzessin, die den Schweinestall lieber mag als Ballkleider und ein paar Wikinger, die es doof finden, dass ihre Frauen immer allein auf große Fahrt gehen dürfen, während die Männer das Haus hüten.

Kindern Raum für eigene Persönlichkeit geben

Kirsten Greiß, Leiterin der Kita der Christuskirchengemeinde Bordesholm freut sich schon darauf, mit den Lütten die neuen Geschichten zu entdecken. "Das Thema ist uns nicht neu, aber hochspannend! Wir müssen uns als Erzieherinnen immer wieder fragen – gebe ich dem Kind für seine Persönlichkeit genug Raum? Oder ertappe ich mich selbst beim Denken in Stereotypen?"

Mädchen hübsch, Jungs stark?

Pastorin Natascha Hilterscheid ergänzt: "Nach Jahrzehnten der beidseitigen Emanzipation scheinen sich die alten Rollenbilder eher wieder zu festigen." Das häufigste Kompliment für kleine Mädchen sei immer noch, sie seien hübsch oder süß, während Jungs eher stark oder cool zu hören bekämen. "Zahlreiche Studien haben bewiesen, dass das Verhalten der Geschlechter weniger genetisch, als vielmehr anerzogen ist", so die Pastorin. Erwachsene gingen eher dazwischen, wenn ein Mädchen sich raufe, und wenn ein Junge sich eine Puppe wünsche, erfülle sich dieser Wunsch oft nicht.

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Stöbert nach neuen Lieblingsbüchern im Genderkoffer: Kitaleiterin Kirsten Greiß© Stefanie Rasmussen-Brodersen

Hilterscheid arbeitet im Frauenwerk Altholstein und hat mit ihrem Kollegen Kolja Makurath von der Kitafachberatung des Kirchenkreises den Genderkoffer zusammengestellt. Die Bücher sollten kindgerecht, ansprechend, humorvoll und verständlich sein, aber auch den Fachkräften den Blick weiten. Der siebenjährige Sohn der Pastorin durfte sein Urteil zu den Büchern abgeben. Wichtig war Makurath und Hilterscheid, "dass die Texte nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommen."

Denn die Initiatoren sind sich einig: Es geht bei der Arbeit mit dem Genderkoffer in Kitas nicht darum, der kleinen Nele beim Verkleiden den roten Glitzerrock zu vergrätzen. Im Gegenteil, jedes Kind soll ganz individuelle Angebote nach seinen Neigungen finden. Also der Glitzerrock für Nele – aber auch für Paul, wenn er möchte, und für Laura die Werkzeugkiste.

Propst Riecke: Gott hat uns vielfältig geschaffen

Die Kultur der Geschlechterrollen schlägt sich im Verhalten, später sogar in Berufswahl und Lebensweg nieder, weiß Propst Kurt Riecke. Er ist zur Übergabe des Genderkoffers in die Kita Christusgemeinde Bordesholm gekommen und erinnert sich an Seelsorgegespräche: "Da sagen Menschen, sie hätten ihr ganzes Leben an sich selbst vorbeigelebt, sie fühlen sich unglücklich und eingepresst in die Erwartungen anderer. Dabei hat Gott uns so vielfältig geschaffen, dass Raum sein sollte für jeden."

Frei von Erwartungen und Klischees

Kinder frei zu machen von diesen Erwartungen und den Klischees: hier soll der Genderkoffer helfen, Türen öffnen für eigene Wege. Und wenn dabei ein paar männliche Erzieher mehr herausspringen würden, schmunzelt man in Bordesholm, sei das ja auch nicht schlecht.

 

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