"Reliunterricht lebt vom Dialog"
03. Juli 2020
Der Religionsunterricht gilt in Mecklenburg-Vorpommern als kleines Fach und fand während der Corona-Maßnahmen nur im Selbststudium statt. Soll das so bleiben? Der Leiter des Pädagogisch-Theologischen Instituts der Nordkirche will darüber eine Debatte anregen.
Die Sommerferien beginnen, Corona-Maßnahmen gelten weiter. Ob der Religionsunterricht nach den Ferien wieder als Präsenzunterricht weitergehen kann, ist noch unklar. „Wir kennen auch nur die Pressemitteilung aus MV, dass es im neuen Schuljahr feste Klassen und feste Räume geben soll“, erklärt Diana Schlüter-Beck, Religionslehrerin am Friedrich-Franz-Gymnasium in Parchim. „Aber das funktioniert an unserer Schule nicht und für den Religionsunterricht schon gar nicht“, fürchtet sie.
"Die Schulen waren nicht vorbereitet"
In den Wochen vor den Sommerferien hat sie wie viele andere versucht, ihren Klassen über Arbeitsblätter einiges mit auf den Weg zu geben. „Die Schulen waren überhaupt nicht vorbereitet. Sie mussten von null auf 100 reagieren“, sagt sie. Immerhin: Das Friedrich-Franz-Gymnasium war schon bei der Lernplattform „itslearning“ registriert, die vom Land Mecklenburg-Vorpommern bereitgestellt wird.
Themenvielfalt: Von Stolpersteinen über Hinduismus bis zu Sterbehilfe
Ihre Schüler hätten so jeder für sich an den Themen der jeweiligen Stufe gearbeitet: „Die siebte Klasse befasste sich mit den Stolpersteinen und der Verfolgung der Juden in Parchim“, schildert sie. „In der neunten ging es um den Hinduismus und vor allem die Rolle der Frau. Die zehnte Klasse beschäftigte sich mit dem Thema Sterbehilfe und die Oberstufe mit Transzendenz.“
Direkter Austausch kaum möglich
Doch direkter Austausch war kaum möglich, die Beziehungsarbeit darum ambivalent, sagt Diana Schlüter-Beck, die auch als Studienleiterin am Pädagogisch-Theologischen Institut (PTI) der Nordkirche arbeitet und in MV für die religionspädagogische Begleitung der Vikare zuständig ist. „Zum einen ist durch die Digitalisierung eine Rückkopplung fast nicht möglich“, sagt sie. „Zum anderen schreiben die Schüler uns im Chatbereich zwar direkt an, doch die Mimik und Gestik fehlt.“ Religiöse Bildung bleibe da auf der Strecke. Gerade Religionsunterricht lebe vom Dialog mit den Schülern, meint sie.
Unterschiedliche Erfahrungen während der Corona-Krise
Der Leiter des PTI in der Nordkirche, Hans-Ulrich Keßler, sieht die Religionslehrkräfte nach den Ferien in einer besonders wichtigen Rolle. In der Corona-Pause hätten die Schüler sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht: Einige seien als Familie zusammengewachsen, andere hätten Katastrophales erlebt, bis hin zur Gewalt, sagt er.
„Die Schüler sind mein Lebenselixier“
Dank ihrer besonderen Kompetenzen könnten Religionslehrkräfte die Schülergruppen nun wieder zusammenführen. „Sie stehen als Personen für den Inhalt des Fachs.“ Sorgen bereitet ihm aber auch die Ungewissheit nach den Sommerferien in Norddeutschland. Wenn sich die Schulen dann weiter auf Hauptfächer konzentrieren, möchte Keßler eine öffentliche Diskussion anregen. „Dann soll es um die Frage gehen, was der Bildungsauftrag der Schulen ist“, sagt er. Die Debatte solle alle sogenannten kleineren Fächer einbeziehen, neben Religion auch Philosophie, Musik, Kunst und andere.
Diana Schlüter-Beck hat immerhin schon ihren Einsatzplan für das neue Schuljahr und weiß: Ab August wird sie wieder einen Tag pro Woche am Gymnasium unterrichten. „Ich bin sehr froh über den Praxisbezug. Die Schüler sind mein Lebenselixier.“