Glaube und Identität: Lebendige evangelische Gemeinden im katholischen Polen
18. September 2023
Die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes tagt im September im polnischen Krakau. Weniger als zwei Prozent der Einwohner Polens gehören zur Evangelischen Kirche. Beeindruckend war daher der Besuch deutscher Delegierter der Vollversammlung in evangelischen Gemeinden.
"Hallo" schmettert der Kinderchor in der Gemeinde Skoczow in Südpolen, "Ich lobe meinen Gott" singt der Frauenchor. Fast bis auf den letzten Platz besetzt ist die Kirche in dem Ort mit rund 14 000 Einwohner:innen. Der Besuch der Delegierten und Besucher:innen der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes am Sonntag galt als Wertschätzung und wurde mit Engagement und Stolz vorbereitet.
Besuche in Gemeinden haben Tradition
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt predigte in Skoczow: Lutherische Gemeinschaft für Frieden
Der Sonntag im Rahmen der Vollversammlung ist traditionell für Besuche in örtlichen Gemeinden der gastgebenden Kirche vorgesehen. Und so fuhr eine große Gruppe vorwiegend deutscher Gäste aus der Nordkirche und den Landeskirchen in Bayern, Hannover oder Sachsen nach Skoczow nahe der tschechischen Grenze.
Die Gemeinde hat rund 4000 Mitglieder und ist damit eine der größten in der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Polen. Sie bietet an insgesamt vier Standorten jeden Sonntag ein bis zwei Gottesdienste an. Es gibt drei Chöre, ein Bläserensemble, rund 30 Kinder im Kindergottesdienst und jedes Jahr bis zu 60 Konfirmationen. Die Gäste waren sehr beeindruckt.
"Sehr dankbar für Gastfreundschaft"
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt fasst zusammen: „Wir wurden hier in Skoczow mit überwältigender Herzlichkeit und Gastfreundschaft aufgenommen - dafür sind wir sehr dankbar!
Unsere Besuchsgruppe war tief beeindruckt vom lebendigen und bunten Gemeindeleben sowie dem großen Engagement vieler Menschen.
Eine Minderheitenkirche zu sein in einem Land, in dem Positionen der katholischen Kirche zunehmend auch kritisch gesehen werden, schafft hier eine starke bindende Kraft. Historische Narrative von Vertreibungen und Verboten sind noch heute sehr präsent. Zu hohen Feiertagen tragen Gemeindemitglieder gerne Trachten.
Immer wieder berührt mich, welchen bewegenden Weg der Verständigung und Versöhnung unsere Kirchen nach dem Zweiten Weltkrieg gegangen sind. Ich bitte aus tiefstem Herzen Gott darum, dass er uns auch in Zukunft auf solche Wege führen möge.
Weiter sagte die Landebischöfin am Rande des Besuchs: "Und mich bewegt ebenso die Hoffnung, dass wir als Christenmenschen klar und deutlich dafür eintreten, dass alle Menschen Geschöpfe Gottes mit angeborener und gleicher Würde sind. Dass wir laut und vernehmlich widersprechen, wenn Menschen Gewalt angetan wird, wenn sie missbraucht, diskriminiert oder ausgegrenzt werden."
In schwierigen Zeiten hat sich die Kirche behauptet
Mit Stolz berichtet der örtliche Gemeindepastor, Alfred Borski, wie es seine Kirche über die Jahrhunderte geschafft hat, sich trotz widriger politischer Umstände zu behaupten. Gastgebende Kirche einer Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes zu sein, ist für viele Gemeinden ein Zeichen der Anerkennung.
"Unsere Kirche gewinnt in einigen Gemeinden gerade Mitglieder, wegen der politischen Nähe von Teilen der katholischen Kirche zu unserer Regierung", berichtet der polnische Theologie-Student Jeremy, der als Steward bei der Vollversammlung arbeitet.
Geschichte der Kirchen noch heute wichtig
Von der historischen Vergangenheit protestantischer Kirchen in der Region zeugen Museen und Denkmäler. In Czieszyn steht bis heute die größte evangelische Kirche Mittelosteuropas.