Lutherischer Weltbund

Glaube und Identität: Lebendige evangelische Gemeinden im katholischen Polen

Feierlicher Empfang der Geistlichen aus den Gemeinden rund um Skoczow. Gemeinsam mit Bischof Friedrich Kramer (Evangelisch-Lutherische Kirche in Mitteldeutschland), Pastorin Yasna Crüsemann (Evangelische Landeskirche in Württemberg) und Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt (von hinten links) ziehen sie zum Gottesdienst in die Dreifaltigkeitskirche ein.
Feierlicher Empfang der Geistlichen aus den Gemeinden rund um Skoczow. Gemeinsam mit Bischof Friedrich Kramer (Evangelisch-Lutherische Kirche in Mitteldeutschland), Pastorin Yasna Crüsemann (Evangelische Landeskirche in Württemberg) und Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt (von hinten links) ziehen sie zum Gottesdienst in die Dreifaltigkeitskirche ein.© Claudia Ebeling

18. September 2023 von Claudia Ebeling

Die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes tagt im September im polnischen Krakau. Weniger als zwei Prozent der Einwohner Polens gehören zur Evangelischen Kirche. Beeindruckend war daher der Besuch deutscher Delegierter der Vollversammlung in evangelischen Gemeinden.

"Hallo" schmettert der Kinderchor in der Gemeinde Skoczow in Südpolen, "Ich lobe meinen Gott" singt der Frauenchor. Fast bis auf den letzten Platz besetzt ist die Kirche in dem Ort mit rund 14 000 Einwohner:innen. Der Besuch der Delegierten und Besucher:innen der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes am Sonntag galt als Wertschätzung und wurde mit Engagement und Stolz vorbereitet.

Kinderchor der Gemeinde Skoczow in Polen
Der Kinderchor der Gemeinde singt zu Beginn des Gottesdienstes in der Gemeinde Skoczow, in der viele der deutschen Delegierten und Besucher:innen zu Gast waren.© Claudia Ebeling

Besuche in Gemeinden haben Tradition

Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt predigte in Skoczow: Lutherische Gemeinschaft für Frieden

Der Sonntag im Rahmen der Vollversammlung ist traditionell für Besuche in örtlichen Gemeinden der gastgebenden Kirche vorgesehen. Und so fuhr eine große Gruppe vorwiegend deutscher Gäste aus der Nordkirche und den Landeskirchen in Bayern, Hannover oder Sachsen nach Skoczow nahe der tschechischen Grenze. 

Das Portal der Dreifaltigkeitskirche in Skoczow in Polen.
Die Gemeinde Skoczow liegt in Südpolen im sogenannten Teschener Land. Die Gegend hat im Gegensatz zum Rest des Landes viele evangelische Gemeinden. Hier sind in manchen Orten bis zu 20 Prozent der Bevölkerung evangelisch.© Claudia Ebeling

Die Gemeinde hat rund 4000 Mitglieder und ist damit eine der größten in der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Polen. Sie bietet an insgesamt vier Standorten jeden Sonntag ein bis zwei Gottesdienste an. Es gibt drei Chöre, ein Bläserensemble, rund 30 Kinder im Kindergottesdienst und jedes Jahr bis zu 60 Konfirmationen. Die Gäste waren sehr beeindruckt.

Bläser-Ensemble der Gemeinde Skoczow in Polen
Schon vor der Kirche wurden die ankommenden Gäste der Vollversammlung von dem Bläserensemble der Gemeinde begrüßt.

Kinder der Gemeinde Skoczow in Polen auf dem Weg in den Kindergottesdienst während Gottesdienst bei Besuchsprogramm während LWB-Vollversammlung
Auf dem Weg in den Kindergottesdienst: Jeden Sonntag nehmen bis zu dreißig Kinder der Gemeinde hieran teil.© Claudia Ebeling

Frauenchor der Gemeinde Skoczow in Süd-Polen
Der Frauenchor der Gemeinde Skoczow trägt zu wichtigen Gottesdiensten und Auftritten gerne historische Trachten. © Claudia Ebeling

"Sehr dankbar für Gastfreundschaft"

Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt fasst zusammen: „Wir wurden hier in Skoczow mit überwältigender Herzlichkeit und Gastfreundschaft aufgenommen - dafür sind wir sehr dankbar!

Unsere Besuchsgruppe war tief beeindruckt vom lebendigen und bunten Gemeindeleben sowie dem großen Engagement vieler Menschen.

Eine Minderheitenkirche zu sein in einem Land, in dem Positionen der katholischen Kirche zunehmend auch kritisch gesehen werden, schafft hier eine starke bindende Kraft. Historische Narrative von Vertreibungen und Verboten sind noch heute sehr präsent. Zu hohen Feiertagen tragen Gemeindemitglieder gerne Trachten.

Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt mit Gemeindemitgliedern nach dem Gottesdienst in Skoczow.
Am Ende eines feierlichen Gottesdienstes mit zahlreichen Chören begrüßte Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt herzlich Gemeindemitglieder. © Claudia Ebeling

Immer wieder berührt mich, welchen bewegenden Weg der Verständigung und Versöhnung unsere Kirchen nach dem Zweiten Weltkrieg gegangen sind. Ich bitte aus tiefstem Herzen Gott darum, dass er uns auch in Zukunft auf solche Wege führen möge.

Weiter sagte die Landebischöfin am Rande des Besuchs: "Und mich bewegt ebenso die Hoffnung, dass wir als Christenmenschen klar und deutlich dafür eintreten, dass alle Menschen Geschöpfe Gottes mit angeborener und gleicher Würde sind. Dass wir laut und vernehmlich widersprechen, wenn Menschen Gewalt angetan wird, wenn sie missbraucht, diskriminiert oder ausgegrenzt werden."

In schwierigen Zeiten hat sich die Kirche behauptet

Mit Stolz berichtet der örtliche Gemeindepastor, Alfred Borski, wie es seine Kirche über die Jahrhunderte geschafft hat, sich trotz widriger politischer Umstände zu behaupten. Gastgebende Kirche einer Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes zu sein, ist für viele Gemeinden ein Zeichen der Anerkennung.

Der Besuch der Gäste war für alle Chöre der Gemeinde Skoczow eine große Ehre. Die aufwändig hergestellten historischen Trachten werden nur zu besonderen Gottesdiensten getragen.© Claudia Ebeling

"Unsere Kirche gewinnt in einigen Gemeinden gerade Mitglieder, wegen der politischen Nähe von Teilen der katholischen Kirche zu unserer Regierung", berichtet der polnische Theologie-Student Jeremy, der als Steward bei der Vollversammlung arbeitet.

Hintergrund:

Im „Teschener Land", das eine wechselhafte Geschichte erlebt hat und unter anderem zur Habsburger Monarchie gehörte, war die Reformation einst besonders erfolgreich. Die Schriften von Philipp Melanchthon erreichten Polen bereits im 16. Jahrhundert und sprachen in Süd-Polen besonders viele Menschen an. Bis heute gibt es dort große evangelische Gemeinden.

Die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen beruft sich auf das „Augsburger Bekenntnis“ von Philipp Melanchthon. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte sie etwa 400.000 Mitglieder, von denen etwa 75 % deutsch- und 25 % polnischsprachig waren. Im Zuge der Aussiedlung vieler deutschsprachiger Gemeindeglieder nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Zahl der Mitglieder auf etwa 100.000 zurück. Heute hat die Kirche etwa 60.000 Gemeindeglieder in sechs Diözesen und 133 Gemeinden.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) hat zwei Partnerdiözesen der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen: Die Diözesen Wrocławska/Breslau und Pomorsko-Wielkopolska/Pommern-Großpolen. Die Partnerschaften werden vom Zentrum für Mission und Ökumene der Nordkirche und dem Kirchenkreis Pommern gepflegt.

Geschichte der Kirchen noch heute wichtig

Von der historischen Vergangenheit protestantischer Kirchen in der Region zeugen Museen und Denkmäler. In Czieszyn steht bis heute die größte evangelische Kirche Mittelosteuropas.

Die größte evangelische Kirche Mittelosteuopas: Sie wurde Anfang des 18. Jahrhunderts gebaut und musste außerhalb der Stadtmauern stehen, da Protestanten als Häretiker galten.

Denkmal der ältesten Kirche Polen aus dem 11. Jahrhundert in Czieszyn
Ebenfalls in Czieszyn oder Teschen steht die älteste Kirche Polens, eine Rundkirche aus dem 11. Jahrhundert: Sie ist heute ein Denkmal im Schlosspark der Stadt.© Claudia Ebeling

Wegweiser zum Museum des Protestantismus in Czieszyn
In Czieszyn oder Teschen gibt es sogar ein Museum des Protestanismus. Über viele Jahrhunderte wurden Protestanten verfolgt und sollten wie die jeweils herrschenden Häuser zum katholischen Glauben übertreten. © Claudia Ebeling

 

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