Gottesdienst zum Holocaust-Gedenktag im Schleswiger Dom
24. Januar 2022
Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz befreit. 1996 rief Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar als Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus ins Leben. Oft als Holocaust-Gedenktag bezeichnet, soll dieses Datum aber nicht nur an jüdische Verfolgte, sondern auch an die vielen weiteren Opfergruppen erinnern. Seit zwölf Jahren wird in Schleswig an diesem Tag ein Gottesdienst gestaltet, um den Opfern des Nationalsozialismus ein würdiges Andenken zu bewahren.
Wie an vielen anderen Orten weisen auch in dieser Stadt die kleinen Messingsteine im Straßenpflaster, die „Stolpersteine“ des Kölner Künstlers Gunter Demnig, auf die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die einst hier lebten, hin. Eine jüdische Gemeinde, wie es sie im 19. Jahrhundert gab, existierte im 20. Jahrhundert nicht mehr. 1925 waren zehn Menschen mosaischen Glaubens in Schleswig registriert. Nach 1945 gab es hier keine jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner mehr.
„Wir haben uns damals zusammengetan, weil wir der Meinung waren, dass auch wir als Kirche eine Verpflichtung haben, für die Opfer des Nationalsozialismus einzustehen“, erzählt Joachim Liß-Walther. Der Pastor im Ruhestand, der auch Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Schleswig-Holstein e.V. ist, gehört seit Beginn dem Schleswiger Arbeitskreis 27. Januar an. Mit Pastorin Antje Hanselmann und Pastor Joachim Thieme-Hachmann war er 2010 einer der Gründer des Arbeitskreises, dessen acht bis zehn Mitglieder seitdem jedes Jahr den Gottesdienst vorbereiten.
Die Erinnerung wach halten
„Unser erster Gottesdienst fand noch im ganz kleinen Rahmen statt. Wir hatten fürchterlich schlechtes Wetter, und so fanden nur zwölf Gottesdienstbesucher den Weg in den Dom“, erinnert sich Joachim Liß-Walther. „Inzwischen kommen viel mehr Besucherinnen und Besucher. Wir gestalten den Gottesdienst mit Musikbeiträgen oder Texten wie beispielsweise dem Briefwechsel zwischen Freya und Helmuth James von Moltke oder Schriften von Elisabeth Schmitz, der Mahnerin und Theologin des Widerstandes. Auch den Rettungswiderstand und die Euthanasie haben wir thematisiert. So hat jeder Gottesdienst seinen Schwerpunkt. Und im Anschluss laden wir in der Regel gerne noch zu einer kleinen Matinée mit Musik, einer Lesung, einem Film oder Vortrag ein“, ergänzt er.
Nicht nur der jüdischen Opfer möchte der Arbeitskreis gedenken. „Beim Gottesdienst kommen insgesamt sieben hohe, großformatige Kerzenleuchter zum Einsatz. Mit dem Entzünden jeder dieser Kerzen wird einer verfolgten Gruppe gedacht, den politisch Verfolgten, den Zeugen Jehovas, den Roma und Sinti, den Homosexuellen oder den Opfern der Euthanasie“, berichten Pastorin Birgit Johannson und Pröpstin Johanna Lenz-Aude aus den zurückliegenden Gottesdiensten.
Gegen das Vergessen
Die Mitglieder des Arbeitskreises stammen neben Vertreterinnen und Vertretern der Kirche auch aus anderen Institutionen wie beispielsweise dem Helios-Klinikum Schleswig. Als Nachfolge-Institution für die ehemalige Heil- und Pflegeanstalt sieht das Klinikum sich verpflichtet, die Deportation von 705 psychisch kranken und beeinträchtigten Menschen in Vernichtungseinrichtungen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
„Auf dem Gelände des Klinikums steht seit 2013 ein Mahnmal, das ebenfalls an dieses Geschehen im Jahr 1944 in Schleswig erinnert“, berichtet Inke Asmussen, die sich als ehemalige Mitarbeiterin des Klinikums schon viele Jahre dem Thema widmet und gleichfalls dem Arbeitskreis angehört. Sie ergänzt einen weiteren Aspekt, den der Arbeitskreis mit seiner Initiative verfolgt: „Es soll nicht allein um die Erinnerung gehen. Genauso wichtig ist es uns, heutige menschenfeindliche Tendenzen anzuprangern und unsere Gesellschaft dagegen zu sensibilisieren.“
Gedenkgottesdienst mit Klezmermusik
Für den diesjährigen Gedenkgottesdienst zum 27. Januar um 18 Uhr im Schleswiger Dom wird es deshalb um die Frage gehen, wo wir heute in der Gesellschaft Hass erleben und wie wir ihm begegnen. Der Gottesdienst wird von Pröpstin Johanna Lenz-Aude und Pastorin Birgit Johannson gestaltet und musikalisch von Kreiskantor Guido Helmentag und Gerhard Breier mit Klezmermusik begleitet.