Hinschauen und Erinnern: Gedenken an 85. Jahrestag der Reichspogromnacht
06. November 2023
Mit der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 gingen die Nationalsozialisten zur offenen Gewalt gegen die jüdische Minderheit im Dritten Reich über. Synagogen und jüdische Gebetshäuser brannten, jüdische Bürger wurden misshandelt und getötet. Zum Gedenken an die Opfer der NS-Verbrechen wird vielerorts zu Andachten und Gedenkveranstaltung eingeladen.
Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass in der Nacht vor 85 Jahren mehr als 1.300 Menschen ermordet und mindestens 1.400 Synagogen in Deutschland und Österreich stark beschädigt oder zerstört wurden.
Gedenken an 85. Jahrestag der Reichspogromnacht
Hamburg: Zu einer Gedenkveranstaltung laden die Stiftung Bornplatzsynagoge und die Jüdische Gemeinde in Hamburg ein. Sie findet am Donnerstag (9. November) von 16.30 bis 17.30 Uhr auf dem ehemaligen Bornplatz, dem heutigen Joseph-Carlebach-Platz, statt. Das Mitbringen von Kerzen ist erwünscht.
Gemeinsam Beten
Sprechen werden unter anderem Bürgerschafts-Präsidentin Carola Veit, Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (beide SPD), der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Hamburg, Philipp Stricharz, die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer, Autorin Kirsten Boie und Journalist Deniz Yücel. Shlomo Bistritzky, Landesrabbiner der Stadt Hamburg, wird das hebräische Trauergebet El Male Rahamim sprechen.
Hamburger Fraktionen polieren Stolpersteine
Abgeordnete der demokratischen Fraktionen in der Hamburgischen Bürgerschaft wollen am Mittwoch (8. November, 11 Uhr) die 21 Stolpersteine vor dem Hamburger Rathaus reinigen. Beteiligen wollen sich Danial Ilkhanipour (SPD), Dominik Lorenzen (Grüne), Anke Frieling (CDU) und Deniz Celik (Linke).
Stolpersteine "größtes dezentrale Mahnmal der Welt"
Die Stolpersteine gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Die rund zehn mal zehn Zentimeter großen Gedenksteine aus Messing erinnern vor früheren Wohnorten an Menschen, die in der NS-Zeit verfolgt, erniedrigt oder ermordet wurden. Allein in Hamburg sind mehr als 6.300 Stolpersteine verlegt worden.
Das Jewish Chamber Orchestra Hamburg lädt am Donnerstag (19.30 Uhr) zu einer Gedenkveranstaltung an die Pogrome von 1938 in das Rolf-Liebermann-Studio des Norddeutschen Rundfunks (NDR) ein. Musikalische „Stolpersteine“ treffen auf Literatur über die Vernichtung der jüdischen Kultur, wie die Stadt Hamburg mitteilte.
Musikalisches Gedenken im Rolf-Liebermann-Studio
Das Rolf-Liebermann-Studio befindet sich in einer ehemaligen Synagoge. Der Israelitische Tempel an der Oberstraße wurde bei den Novemberpogromen 1938 verwüstet und geschlossen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mietete der damalige Nordwestdeutsche Rundfunk das Gebäude und baute es zum Konzertsaal und Studio um.
Pogromgedenken in Mecklenburg-Vorpommern
In mehreren Orten in Mecklenburg-Vorpommern wird in der kommenden Woche an die jüdischen Opfer der Reichspogromnacht erinnert.
Schwerin: Auf dem Schweriner Schlachtermarkt plant der Arbeitskreis „9. November 1938“ nach eigenen Angaben am Donnerstag (9. November) ab 18 Uhr ein Gedenken mit Texten und Musik.
Gemeinsam mit Landesrabbiner Yuriy Kadnykov soll dabei ein Zeichen der Solidarität mit allen jüdischen Mitmenschen gesetzt werden.
Rostock: In Rostock ist am Freitag (10. November) eine Andacht (9.30 Uhr) auf dem Jüdischen Friedhof am Lindenpark mit anschließendem Spaziergang zur Gedenkstele für die frühere Synagoge (Augustenstraße 101) geplant. Dort findet um 10 Uhr eine Gedenkveranstaltung statt. Dabei soll auch an die in den Morgenstunden des 10. November 1938 in Brand gesetzte Synagoge erinnert werden. Schülerinnen und Schüler des Innerstädtischen Gymnasiums werden die Namen der Rostocker Opfer des Holocaust verlesen.
Greifswald: Zum Gedenken laden die Kommune, der Arbeitskreis „Kirche und Judentum“ und die Evangelische Studierendengemeinde in Greifswald am 9. November zu zwei Veranstaltungen ein.
Um 13 Uhr gibt es eine Andacht am Ort des ehemaligen Betsaals der jüdischen Gemeinde in der Mühlenstraße 1. Um 17 Uhr beginnt im Bürgerschaftssaal des Rathauses eine Vortragsveranstaltung mit dem Greifswalder Theologen Andreas Ruwe. Er wird seine Forschungsergebnisse über den jüdischen Friedhof in Niederhof bei Stralsund vorstellen, der von 1776 bis 1850 für Bestattungen verstorbener Jüdinnen und Juden aus ganz Vorpommern genutzt wurde.
Feldberg: Die Kirchengemeinde Wanzka lädt am 9. November um 17.30 Uhr zum Gedenken auf den jüdischen Friedhof in Feldberg (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) ein.
Güstrow: Die Dom- und Pfarrgemeinden und die Initiative Jüdisches Gedenken laden am selben Tag in Güstrow (Landkreis Rostock) um 16 Uhr zur Andacht vor der ehemaligen Synagoge in Krönchenhagen 16 ein. Eine Gedenktafel soll eingeweiht werden.
Ribnitz-Damgarten: In Ribnitz-Damgarten (Landkreis Vorpommern-Rügen) soll am 9. November ein gemeinsamer Weg zu den Stoplersteinen der Stadt führen. Treffpunkt ist um 17 Uhr bei der Marienkirche.
Friedensgebete und Andachten
Stralsund: In der Hansestadt Stralsund sind am selben Tag zwei Gedenkstunden geplant. Die erste beginnt um 15 Uhr auf dem jüdischen Friedhof in der Greifswalder Chaussee, die zweite um 17 Uhr an der Stele am Johanniskloster. Anschließend gibt es ein Friedensgebet in der Stralsunder Marienkirche.
Garz: In Garz auf Rügen soll das jährliche Gedenken an den Stolpersteinen der jüdischen Kaufmannfamilie Cohn um 19 Uhr an den Stolpersteinen für Arthur, Thekla und Ludwig Cohn vor dem Gemeindehaus in der Langen Straße 34 beginnen. Eine Friedensandacht im Gemeinderaum folgt.
Wismar: In Wismar (Landkreis Nordwestmecklenburg) sollen am 9. November Stolpersteine gereinigt werden durch Schülerinnen und Schüler des Wismarer Gerhart-Hauptmann-Gymnasiums sowie Menschen, die Patenschaften für Stolpersteine übernommen haben.
Mahnveranstaltung in Kieler Synagoge
Kiel: Am 9. November wird die Landeshauptstadt Kiel mit einer Mahn- und Gedenkveranstaltung und einem Stadtrundgang an die Verbrechen der Reichspogromnacht erinnern. Die Veranstaltung findet um 11.30 Uhr am Mahnmal der ehemaligen Kieler Synagoge (Goethestraße/Ecke Humboldtstraße) statt.
Musikalisch begleitet wird die Gedenkfeier von Ishay Lantner auf der Klarinette und von Alexander Wernet auf dem Akkordeon. Im Anschluss wird um 12.30 Uhr ein kostenloser Stadtrundgang zum Thema „Kiel im Nationalsozialismus“ angeboten.
Lesung in Flensburg mit Besuch der Ministerin
Flensburg: Zur Erinnerung an die Opfer der Pogromnacht lädt die Gemeinde St. Nikolai in Flensburg am 9. November um 18 Uhr zu Musik und Gedicht-Lesungen von Selma Meerbaum-Eisinger ein.
Zu Gast ist die Bildungsministerin Karin Prien. Mitglieder des St. Nikolai Chores singen Werke von Jan Sandström, Louis Lewandowski und Sid Robinowitch. Mitwirkende sind außerdem der Jugendchor von St. Nikolai und Schüler:innen der Eckenerschule.
Hinschauen und Erinnern: Abendandacht in Karlum
Karlum: In der evangelischen Kirche St. Laurentius in Karlum (Kreis Nordfriesland) am 9. November (19 Uhr) eine Abendandacht statt. Der Freundeskreis der Kirche lade damit gemeinsam mit der Kirchengemeinde zum Hinschauen und Erinnern ein. Musikalisch umrahmt werde die Andacht von Rainer Rafalsky (Orgel) und Christoph Schmidt (Geige).