"Klimaschutz braucht immer Menschen, die Veränderung wollen"
24. April 2021
Der Klimaschutzbericht 2019 der Nordkirche zeigt: in vielen Handlungsfeldern steht die Landeskirche noch am Anfang. Mit Klimaschutzmanagerin Annette Piening vom Klimaschutzbüro der Nordkirche sprach Maren Warnecke über Erfolge auf dem langen Weg zur CO2-Neutralität, digitale Bildungsarbeit in Zeiten von Corona und die verschiedenen Dimensionen von Nachhaltigkeit.
Frau Piening, in diesem Jahr wird der erste Klimaschutzplan der Nordkirche enden, ein zweiter ist in Vorbereitung. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ziele für die kommenden Jahre?
Annette Piening: Es gibt drei Schwerpunkte für die Nordkirche: Energiesparen und -effizienz in Gebäuden, nachhaltige Mobilität und Beschaffung. Vor allem beim Thema Gebäude, das 70 Prozent des Energieverbrauchs und 80 Prozent der CO2-Emissionen verursacht, ist es dringend notwendig, die Wärmeversorgung zu verändern. Das geschieht zum einen, in dem die Effizienz vorhandener Anlagen erhöht wird, zum anderen über den Einsatz erneuerbarer Energien. Das ist ein ziemlich hoher Investitionsbedarf, denn etwa 40 Prozent der aktuell vorhandenen Wärmeversorgungsanlagen in der Nordkirche sind 30 Jahre oder älter - und damit an ihr „Lebensende“ gelangt.
"Nachhaltig = gemeinsam, klimagerecht, mit Teilhabe"
Der Begriff "energetische Sanierung" beinhaltet aber noch mehr.
Richtig. Über den Aspekt Dämmung lässt sich der Energiebedarf ebenfalls kräftig senken, auch wenn es nordkirchenweit einen großen denkmalgeschützten Bestand an Gebäuden gibt, bei dem das nicht immer leicht umzusetzen ist.
Nachhaltigkeit als Perspektive: Die Pfarrscheune Lichtenhagen Dorf und weitere Beispiele
www.kirchefuerklima.de/gebaeudeLandessynode: Pressemitteilung zum Klimachutzbericht
Dass auch bei einem alten Gebäude der Energiebedarf nach der Sanierung fast das Niveau eines Neubaus erreichen kann, zeigt zum Beispiel der Umbau der Pfarrscheune Lichtenhagen Dorf. Dort wurde quasi ein Haus in einem Haus errichtet. Es war ein gemeinsamer Prozess, klimagerecht und klar darauf ausgerichtet, verschiedenste Gruppen teilhaben zu lassen. Alles unter der Fragestellung, was Nachhaltigkeit eigentlich heißt.
Bei langwierigen oder kostenintensiven Maßnahmen stoßen Sie und Ihre Kolleg*innen vielerorts sicherlich auch auf Zurückhaltung und Skepsis - Klimaschutz hin oder her.
Da gibt es ein breites Spektrum an Reaktionen. Kirche ist ja immer auch ein Spiegel der Gesellschaft. Vielfach ist bereits ein Bewusstsein dafür vorhanden, dass sich etwas verändern muss, wenn man der Schöpfungsverantwortung gerecht werden will. Klimaschutz braucht immer Menschen, die Veränderung wollen. An diesem Punkt können wir ansetzen.
Wie sieht die konkrete Unterstützung aus dem Klimaschutzbüro vor Ort aus?
Wir wollen die bereits vorhandenen technischen Lösungen einzelner Kirchengemeinden nordkirchenweit bekannter machen. Da kommt uns die föderale Struktur unserer Landeskirche mit ganz unterschiedlichen Ansätzen zugute. Und es ist notwendig, dass die Kirchengemeinderäte fachliche Unterstützung an die Seite bekommen.
…da nicht jeder Kirchengemeinderat einen Ingenieur in seinen Reihen hat.
Genau. Eine gute Infrastruktur bei der Beratung soll entlasten. Im Kirchenkreis Hamburg-Ost berät zum Beispiel ein Techniker für Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik die Kirchengemeinden und arbeitet eng mit einem Team in der Bauabteilung zusammen. Das sparte 2019 - entgegen dem allgemeinen Trend - beim Energieverbrauch 7 Prozent ein.
Im zweistelligen Bereich bewegen sich die Einsparungen ganz aktuell in einem alten Pastoratsgebäude im Kirchenkreis Plön-Segeberg, in dem die sogenannte Nachtabsenkung verändert wurde. Die Pastorin nutzte im großen Haus nur noch einen Raum, trotzdem blieben die Energiekosten im Vergleich zu den Vorjahresmonaten gleich.
Die Lösung war im Grunde einfach: die Einstellungen für Heizung und Warmwasserspeicher waren trotz Nicht-Nutzung der übrigen Zimmer tagsüber unverändert geblieben. Zusammen mit dem Klimaschutzbeauftragten des Kirchenkreises wurden die Heizzeiten angepasst und ein Heizungsfachmann stellte den Warmwasserspeicher komplett ab. Im Vergleich zum Februar 2020 sank der Energieverbrauch um 21 Prozent, im März waren es sogar 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein irrsinniger Effekt!
An diesem Beispiel sieht man auch wie wichtig und wirksam es ist, dass in den meisten Kirchenkreisen inzwischen hauptamtliche Klimaschutzbeauftragte für die technische Beratung der Kirchengemeinden zur Verfügung stehen.
"Die Entfernung zwischen Rostock und Schleswig ist digital keine mehr"
Ein weiterer Schwerpunkt der nächsten Jahre beim Klimaschutz ist das Thema Beschaffung, also der Einkauf von fair gehandelten, regionalen und nachhaltig produzierten Waren. Welche Auswirkungen hat da die Corona-Pandemie?
Tatsächlich positive im Bereich Information und Fortbildung. Unsere neue digitale Workshop-Reihe zu Themen wie Papier und Recycling, Reinigungsmitteln oder auch dem Dschungel an Öko-Labels wurde sehr gut angenommen und soll ausgeweitet werden. Die Workshops werden im Rahmen der Initiative ÖkoFaire Gemeinde angeboten und es hat sich gezeigt: Das ist eine gute Chance für alle in der Nordkirche, miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Entfernung zwischen Rostock und Schleswig ist digital keine mehr.
"Jede Fahrt ohne Auto schont das Klima"
Der dritte Schwerpunkt bis 2028 wird das Thema Mobilität sein.
Ein schwieriges Thema. Gerade im ländlichen Raum sehen wir, wie schwer es ist, aufs Auto zu verzichten. Mobilität macht 15 Prozent des Energieverbrauchs der Nordkirche aus. Dabei ist Benzin ein sehr CO2-trächtiger Brennstoff. Jede Fahrt ohne Auto, gerade auch bei kurzen Strecken, schont das Klima. Da lohnt es tatsächlich, individuelle Lösungen in den Blick zu nehmen und auch zu fördern. Etwa die Hälfte der 13 Kirchenkreise hat dazu bereits entsprechende Förderrichtlinien verabschiedet und setzt in der Kirchenkreisverwaltung zunehmend auch E-Lastenräder ein.
Ein prominentes Beispiel für konsequente Umsetzung stellt Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt dar. Sie nutzt seit einigen Monaten für ihre Dienstfahrten ein E-Auto.
Kirchengemeinde, Kirchenkreis, Landeskirche: Ihre Beispiele zeigen, wie Prozesse auf allen Ebenen verändert werden können.
Ein zentraler Etagendrucker oder Kaffeeautomat verbraucht weniger Energie als viele Einzelgeräte im Standby-Modus; jeder mit dem E-Rad gefahrene Kilometer ist gut für den ökologischen Fußabdruck. Photovoltaik statt Ölheizung, Pelletheizung oder Solarthermie-Anlage statt Flüssiggas - das sind alles mal mehr, mal weniger sichtbare Projekte für den Klimaschutz, die zeigen: Kirche als gesellschaftliche Akteurin leistet ihren Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung.