Landesbischöfin: „Vieles, was ich dort gesehen habe, lässt mich nicht mehr los”
26. Januar 2023
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt hat Anfang Januar mit einer Delegation des Lutherischen Weltbundes erstmals das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz besucht. „Vieles, was ich dort gesehen habe, lässt mich nicht mehr los”, sagt sie anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktags am 27. Januar.
Aus dem Archiv: Der Besuch der Landesbischöfin in Auschwitz
"Auch wenn ich die historischen Fakten kenne, Fotos gesehen, Interviews mit Zeitzeugen gehört habe - es ist etwas völlig anderes, wenn man dort ist. In Auschwitz wurden Menschen von anderen Menschen bis aufs Letzte ausgebeutet, gedemütigt und getötet, all das perfide durchorganisiert", erinnert sich Bischöfin Kühnbaum-Schmidt.
Dieser Zivilisationsbruch hat mich zutiefst erschüttert. Vieles, was ich dort gesehen habe, lässt mich nicht mehr los.
Man muss sich vor Augen führen: Hier wurden Kinder und Erwachsene, alte wie junge Menschen, barfuß und ihrer Kleidung beraubt, in die Gaskammern und damit in den sofortigen Tod geführt. Das macht fassungslos.
Zwangsarbeit und Misshandlungen
Ein anderer die Landesbischöfin bewegender Ort in der Gedenkstätte war ein langer Flur, in dem Porträts von Menschen hängen, die nicht sofort ermordet wurden, sondern zunächst Zwangsarbeit leisten mussten und misshandelt wurden. Unter jedem Porträt sind die Daten der Ankunft im Lager und das Todesdatum zu lesen.
Die eindrücklichen Gesichter dieser Menschen, alle mit geschorenen Köpfen, in Häftlingskleidung und ihre eintätowierten Häftlingsnummern – das macht deutlich, wie in der Todesmaschinerie von Auschwitz Menschen ihrer Individualität und ihrer Menschlichkeit gezielt beraubt werden sollten und es auch wurden.
Gegen das Schweigen und Vergessen angehen
"Für uns heute gibt es einen Auftrag, sich mit der Geschichte, in der Gegenwart und in der Zukunft bewusst auseinanderzusetzen. Um besser verstehen zu können und den Anfängen zu wehren.". Die Landesbischöfin macht deutlich, dass es unsere Aufgabe ist, gegen das Schweigen und das Vergessen anzugehen.
Diese Verbrechen dürfen wir niemals vergessen und wir dürfen darüber niemals schweigen.
Denn das gehört zusammen: erinnern, gedenken und entschieden Verantwortung übernehmen - Verantwortung dafür, dass allen Menschen unveräußerliche Würde und das Recht auf Leben sowie körperliche Unversehrtheit zukommen.
Auch Gräueltaten in der Ukraine müssen geahndet werden
Niemand darf glauben, für solche Verbrechen nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden, so die Landesbischöfin weiter. "Ich denke an alle Kriegsverbrechen und Verbrechen, die gegen die Menschlichkeit verübt wurden und werden, auch an Gräueltaten, die im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine begangen werden.
Alle solche Verbrechen müssen juristisch verfolgt und entsprechend verurteilt werden.
Vor allen Dingen aber muss klar sein, dass es dazu erst gar nicht kommen darf. Mir hat sich in Auschwitz auch die Frage nach unser aller Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit gestellt: Können wir uns im Blick auf das, was dort geschehen ist, der eigenen Humanität und der Humanität anderer eigentlich wirklich sicher sein?