Lehrer aller Religionen geben in Hamburg jetzt Religionsunterricht
02. Dezember 2019
Der Religionsunterricht an Hamburger Schulen wird in Zukunft nicht mehr nur von evangelischen Lehrkräften, sondern auch von muslimischen, alevitischen und jüdischen Lehrerinnen und Lehrern gegeben. Über sieben Jahre wurde von der Schulbehörde sowie den Kirchen und Religionsgemeinschaften an drei Hamburger Schulen ein gemeinsames Unterrichtsmodell erprobt.
Ab jetzt sei das kein Projekt mehr, sondern werde flächendeckend in der Hansestadt umgesetzt, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Freitag. Mit der Katholischen Kirche wurde zudem ein vergleichbares Modellprojekt vereinbart, bei dem sich auch die Katholische Kirche am "Religionsunterricht für alle" beteiligt.
Jeder zweite Schüler in Hamburg hat einen Migrationshintergrund
Traditionell sei der Religionsunterricht in Hamburg rein evangelisch gewesen, weil eben auch die Stadt mehrheitlich evangelisch geprägt war, sagte Hamburgs evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs. Inzwischen habe aber jeder zweite Schüler in Hamburg einen Migrationshintergrund, und die religiöse Vielfalt habe stark zugenommen. Bereits seit den 1980er Jahren seien andere Religionsgemeinschaften informell in die Gestaltung des Schulfaches Religion eingebunden worden, so die Theologin. Sie nennt das "dialogischen Unterricht".
Inhaltlich keine großen Veränderungen
Neu ist jetzt, dass die Inhalte des Religionsunterrichts gleichberechtigt in der Verantwortung verschiedener Glaubensgemeinschaften liegen. Der Unterricht werde sich inhaltlich nicht stark ändern, so Senator Rabe. Schülerinnen und Schüler werden von Lehrkräften verschiedener Konfession unterrichtet, erhalten aber trotzdem vollwertigen Religionsunterricht, der mit den Bekenntnissen der beteiligten Religionsgemeinschaften übereinstimmt. "Denn das steht im Grundgesetz." Innerhalb der Religionsstunden gibt es daher differenzierte Lernphasen.
"Wichtiger Beitrag für ein friedliches Zusammenleben"
Der "Religionsunterricht für alle" leiste einen wichtigen Beitrag für ein friedliches Zusammenleben, sagte Ismail Kaplan von der Alevitischen Gemeinde. So werde den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, die anderen Religionen ohne Zerrbilder kennenzulernen, sagte Sedat Simsek vom türkischen Islamverband Ditib. Eine multireligiöse Lehrerschaft sorge dafür, dass einander mit Achtung begegnet und Vertrauen aufgebaut wird, ergänzte Yilmaz Cevik vom Verband der islamischen Kulturzentren.
Bundesweit einmalig: "Religionsunterricht für alle"
Der "Religionsunterricht für alle" ist bundesweit einmalig. "Wir sind stolz darauf, damit fertig zu sein", sagte Senator Rabe, der selbst studierter evangelischer Religionslehrer ist. Auch in Zukunft werde der Religionsunterricht nur von Lehrkräften erteilt, die an der Universität und im Referendariat für den gemeinsamen Unterricht ausgebildet wurden. An der Uni Hamburg wurden Lehramtsstudiengänge für islamische und alevitische Religion eingerichtet - neben den bestehenden Studiengängen für evangelische und katholische Lehrkräfte. Sie sehen den wechselseitigen Besuch von Lehrveranstaltungen in den anderen Religionen verbindlich vor.
Insgesamt gibt es in Hamburg derzeit Rabes Angaben zufolge etwa 20.000 Lehrer, davon sind 1.500 Religionslehrer. Das langfristige Ziel sei, an den Schulen multireligiöse Fachschaften zu haben.
Modellprojekt mit dem Erzbistum
Das Erzbistum Hamburg nahm bisher am "Religionsunterricht für alle" nicht teil. Im August 2019 startete das Erzbistum gemeinsam mit der Nordkirche einen auf drei Jahre angelegten Modellversuch, um Wege zu finden, wie im gemeinsamen Religionsunterricht auch das katholische Christentum durch katholische Lehrkräfte authentisch vermittelt werden könne, sagte Christopher Haep vom Erzbistum. Das Modellprojekt bezieht sich ausschließlich auf Hamburg.