Liebe, Herzlichkeit und Versöhnung sind menschlich – unsere Hoffnungsgeschichten
30. Dezember 2024
Das Jahr 2024 hat uns viel abverlangt. So manche Sorge wird uns auch im neuen Jahr begleiten. Und doch gibt es viele mutmachende Erlebnisse. Hier erzählen uns Menschen aus unserer Kirche, welche Begegnungen und Erlebnisse ihnen Hoffnung stiften.
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Manch einer mag beim Rückblick auf das Jahr nichts als Erschöpfung und Hilflosigkeit empfinden: Denn weltpolitisch erscheint es als Jahr, in dem wenig gelöst, vieles nur ins Ungewisse verschoben wurde: die Kriege in Nahost und der Ukraine, die erneute US-Präsidentschaft von Trump, das enttäuschende Ergebnis der Weltklimakonferenz – es sind Herausforderungen, die uns auch 2025 einiges abverlangen werden.
Doch es gibt sie noch: die guten Nachrichten. Wer eben nicht auf das scheinbar unlösbare große Ganze schaut, sondern sich darauf konzentriert, was er oder sie selbst zum Positiven ändern kann, findet Lichtblicke. Hier erzählen verschiedene Menschen, welche Momente, Begegnungen und Erlebnisse ihnen die Hoffnung geben, dass nicht Hass, sondern Liebe die größte Kraft ist. Unsere Hoffnungsgeschichten:
Eine Seele, die hinhört
Sieghard Wilm, Pastor Kirchengemeinde St. Pauli Hamburg: "Sie ist im 90. Lebensjahr und im Pflegeheim. Eisern dreht sie täglich ihre Runde an der frischen Luft. Jeden Nachmittag sitzt sie zur selben Uhrzeit im Café an der Ecke. Ein gutes Buch nimmt sie sich mit. Aber meistens kommt sie gar nicht zum Lesen. Dann erzählen die jungen Leute, die im Café bedienen, von ihrem Liebeskummer oder dem Streit mit den Eltern. So sitzt sie da und hört einfach zu.
Alle kennen die reife Dame, die zur Seele des Cafés geworden ist. Kaffee und Kuchen gehen mittlerweile aufs Haus, so ist es verabredet worden. Diese Herzlichkeit der jungen Leute beeindruckt mich und gibt mir Hoffnung.
In der Adventszeit darf die Seniorin ihren Adventskranz mitbringen und die Kerzen brennen lassen. Seit ein paar Wochen hat sich Axel zu ihr gesellt. Der war Manager, bevor ein Herzinfarkt seine Karriere beendete. Nun hat er Zeit, zum Backen. Zu dritt teilen wir uns einen selbstgebackenen Lebkuchen und wir müssen lachen: Das ist fast wie beim Abendmahl."
Das Wir-Gefühl treibt uns an
Marie-Claire Heuer, Bereichsleiterin Sozial-Diakonische Arbeit – Evangelische Jugend & Leiterin Bahnhofmissionen Schwerin und Ludwigslust: "Wenn ich die Medien durchstöbere, verkünden mir die Nachrichten oftmals sorgenreiche Informationen zu der Situation auf unserer Erde, in Europa, aber auch direkt vor meiner Haustür – wohin wird sich diese Welt und unsere Gesellschaft noch entwickelt?!
Privat freue ich mich über liebe Menschen an meiner Seite, die mit mir positiv in die Zukunft gucken und auch in den gesellschaftlichen Herausforderungen Chancen sehen.
Besonders in meiner Arbeit mit den Ehrenamtlichen der Bahnhofsmission in Schwerin und Ludwigslust spüre ich viel Energie und Engagement. Sie wollen Menschen, die am Bahnhof stranden, unterstützen, Ihnen zuhören und Hoffnung schenken. Gleichzeitig wollen sie Teil von etwas sein und der Gesellschaft etwas zurückgeben. Besonders finde ich, dass immer wieder Menschen, auch jüngere Berufstätige, kommen und sich in der Bahnhofsmission engagieren wollen.
All das gibt mir Hoffnung, Mut und Zuversicht, dass wir als Gesellschaft so viel gemeinsam schaffen können!"
Anna – unermüdlich für andere da
Radu Constantin Miron, Erzpriester & Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK): "Anna lebt schon lange nicht mehr, jene schwer herzkranke Frau aus meiner Gemeinde. Trotzdem kann ich sie nicht vergessen, denn sie bleibt für mich ein Vorbild der Hoffnung. Die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte sie größtenteils in der Kardiologie-Station der Uniklinik, wo die Ärzte sich vergebens bemühten, ihrem schwachen Herz neue Kraft zu geben.
Schwach an ihrem Herz war allerdings nur die organische Seite, denn was ihre innere Power ausmachte, war Anna kräftiger als viele gesunde Mitmenschen. Das war etwa daran erkennbar, dass, wenn immer ich sie dort besuchte, ich sie meistens nicht in ihrem eigenen Krankenzimmer antraf. Denn sie war unterwegs durch die verschiedenen Stationen des Krankenhauses auf der Suche nach griechischen Landsleuten, denen sie, obwohl diese oft gar nicht so krank waren wie Anna, Trost und Zuversicht vermittelte.
Als ich sie einmal darauf ansprach, sagte sie nur: 'Egal wie groß der Schmerz oder die Krankheit eines Menschen ist, man muss ihn ernst nehmen und trösten.'"
Der Krieg kann nicht ewig fortdauern, er wird enden
Tobias Pfeiffer, Beauftragter für den christlich-jüdischen Dialog im Ökumenewerk der Nordkirche: "Wir hatten nie mehr Hoffnung als jetzt!" Mit diesem Satz überraschte mich vor einigen Tagen ein palästinensischer Gesprächspartner einer unserer Partnerorganisationen vor Ort. Wie kann das sein, dachte und fragte ich.
Die eine Wahrheit, so erläuterte er, ist, dass es noch nie so schlimm war wie jetzt. Und in dieser katastrophalen Lage, in der Menschen sterben, leiden und hungern, leuchtet die Hoffnung, dass es besser werden wird, besser werden muss, umso heller. Gleichzeitig führte er aus, dass für ihn als religiöser Mensch völlig klar ist, dass nicht Krieg der wünschenswerte Zustand ist, sondern Frieden. Und dass daher unumstößlich und allumfassend klar ist, dass dieser Konflikt enden werde, vielleicht ja schneller als gedacht.
Mich hat diese Zuversicht in der großen Not überwältigt und tief bewegt. Da sind Menschen, die sich trotz Hass und Gewalt um sie herum, trotz Traumatisierungen auf allen Seiten, begegnen, als Menschen wahrnehmen und auf eine gemeinsame Zukunft schauen in Israel und Palästina, als Christ:innen, Jüd:innen und Muslime.
Das ist für mich Hoffnungsbotschaft zu Weihnachten und Hoffnungsbotschaft 2025."
Harmonie und Frieden? Doch, es gibt sie noch!
Deetje Kräft, Nachrichtenredakteurin und ehrenamtliche Mitarbeiterin der Suppengruppe St. Georg in Hamburg: "Schlagzeilen über Konflikte und Spannungen aus aller Welt überschlagen sich seit Monaten. Als Nachrichtenredakteurin für einen Fernsehsender bekomme ich das besonders intensiv mit. Manchmal erwische ich mich deshalb dabei, wie ich daran zweifle, ob ein harmonisches Miteinander überhaupt langfristig möglich ist.
Aber: Ich habe Menschen um mich, die mir immer wieder Hoffnung geben. In der Suppengruppe St. Georg kommen jede Woche Ehrenamtliche zusammen, um bis zu 200 Bedürftige mit einer warmen Mahlzeit zu versorgen. Sowohl im Helfer*innen-Team als auch unter den Gästen finden sich Menschen jeglicher Herkunft, sozialer Hintergründe und Religionen. Unter dem Dach der Kirche kommen sie zusammen, um sich gegenseitig zu helfen, in Harmonie nebeneinander zu essen und miteinander in den Dialog zu treten.
Diese Momente geben mir Hoffnung. Ich kann klar und deutlich vor mir sehen, dass auch in Zeiten, in denen so vieles ungewiss scheint, ein friedliches Zusammensein möglich ist."
Wie ein Ballon im Wind
Dennis Graham, Religionslehrer und Studienleiter in Hamburg: "Das Balloon Girl des britischen Künstlers Banksy erzählt in all seiner Einfachheit eine starke Hoffnungsgeschichte. Das Bild zeigt ein Mädchen, dessen Haare und Rock vom Wind bewegt werden, während sie nach der Schnur eines roten Herzballons greift. Fliegt er davon? Lässt sie ihn los? Kann sie ihn wieder fassen? Diese Fragen bleiben offen und machen das Werk deshalb ergreifend. Ob die Geschichte gut ausgeht, bleibt ungewiss – wie ein Screenshot, der deutungsoffen bleibt.
Auch die hoffnungsfrohen Bilder unserer christlichen Tradition nehmen ein gutes Ende nicht vorweg. Maria und Josef im Stall. Wie soll das ausgehen? Was soll das werden? Und der gekreuzigte Jesus ist deshalb ein Hoffnungsbild, weil wir einen Anlass haben zu hoffen und das allein ermöglicht uns Hoffnung. Es ist nicht das Wissen um ein gutes Ende, was mir Hoffnung schenkt. Darauf darf ich hoffen.
Man muss aber an seiner hoffnungsfrohen Geschichte selbst mitschreiben.
Das Balloon Girl haben wir in abgewandelter Form in einem neuen Wimmelbild, das wir zurzeit für Schüler:innen aller Altersstufen entwickeln, ganz zentral platziert. Das Bild soll Schüler:innen dazu inspirieren, trotz alledem und alledem den Mut zu finden, sich hoffnungsfrohe Geschichten zu erzählen. Wir finden das ein gutes Lernziel für unsere Kinder."
Geschenke, die Körper und Seele wärmen
Birgit Haaks, Leiterin der Deutschen Seemannsmission Rostock e.V.: "Es ist November 2023 und ich kämpfe mit der Online-Beantragung bei einer Ehrenamtsstiftung von 1000 Euro für „unsere“ Strickfeen.
Im Rostocker Gemeindezentrum treffen sich alle 14 Tage etwa 20 Damen zum Handarbeiten. Man kennt sich, achtet aufeinander. Oft wird auch zuhause weitergearbeitet. So entstanden im vergangenen Jahr rund 50 Pullover, 240 Paar Socken, 310 Mützen und vieles mehr.
Die Werke sind jedoch nicht für sich oder den Verkauf gedacht, sondern für Seeleute, die bei uns Station machen. Deshalb bezahlt die Seemannsmission die Wolle. Mit Geduld und Mühen gelingt es mir schließlich, den Antrag ausgefüllt zu versenden. Einige Zeit darauf wird dieser genehmigt. Das Projekt ist für das laufende Jahr gesichert.
Ein Zeitsprung: Knapp ein Jahr später gerät der Tanker Annika vor Kühlungsborn in Brand. Die sieben Seeleute verschiedener Nationen schlagen Alarm und versuchten, das Feuer im Maschinenraum zu löschen. Das Rettungsboot geht in Flammen auf. Feuerwehr und Rettungsschiffe sind schnell vor Ort, sodass alle sieben unverletzt den Brand überstehen. Allerdings haben sie nur die nasse Kleidung auf dem Körper, nicht viel mehr.
Neben dem Havariekommando wird auch die Deutsche Seemannsmission bei solchen Unglücken alarmiert. Kurz darauf packen zwei Mitarbeiter im Rostocker Überseehafen das Nötigste für die verunglückten Seeleute zusammen.
Dankbar nehmen die Männer die Kleidung und Hygieneartikel entgegen. Am meisten freuen sie sich aber über die selbstgestrickten Pullover. Nach der Kälte während der Rettung tut ihnen die wärmende Wolle gut. Bei meinem Besuch strahlen sie mich mit ihren Pullovern an. Einer fährt mit den Händen immer wieder über die Wolle und sagt: 'Das ist so schön warm!'"
Gott verlässt uns nicht
Prince Okeke, Pastor der Christ Ambassadors Ministries International Church of God & Referent im Ökumenezentrum der Nordkirche: "Hoffnung erfahre ich in meiner Gemeinde. Sie ist für mich ein Ort der Ermutigung und von Halt. Wir feiern zusammen Gottesdienst, lesen die Bibel in unseren Hauskreisen oder essen sonntags zusammen. Hier sehen und erfahren wir, dass Gott kraftvoll in unserer Mitte wirkt und uns niemals alleine lässt.
Besonders im kommenden Jahr leitet mich der Vers aus dem Buch des Propheten Jeremia: „Denn ich weiß, was für Gedanken ich über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“ Dieses Versprechen gilt – für jeden Einzelnen von uns und ist für mich und meine Gemeinde eine unerschütterliche Quelle der Hoffnung."