Mit Instagram sagen, wie sich der Weg ins Pfarramt anfühlt
19. November 2021
Seit diesem Herbst gibt es die Instagram-Accounts „theostudies.nordkirche“ und „vikariatnordkirche“. Sie zeigen, was es heißt, auf dem Weg ins Pfarramt zu sein. Gestaltet werden die Posts und Stories allein von denen, die ganz genau wissen, wie sich Lernstress und Anfangszauber anfühlen: den Nachwuchskräften der Nordkirche.
Vom lockeren Einblick in die Fakultät bis zum Talk mit Tiefgang: Auf Instagram geben Theologiestudierende der Nordkirche Einblick in das, was sie gerade bewegt: Ob der Protest junger Katholikinnen gegen das Ordinationsverbot von Frauen, EKD-Ratswahl oder ein Gefühl von Dankbarkeit für den schönsten Arbeitsweg der Welt: Seit knapp zwei Monaten teilen sie auf @theostudies.nordkirche Gedanken, mit denen sie sich während ihrer Studienzeit beschäftigen. Schon jetzt haben sie mehr als 400 Follower. „Darauf bin ich stolz“, sagt Julia Rau.
Praxistipps für Berufsanfänger
Julia Rau ist eine von vier Studierenden, die den Account betreiben und Einblicke aus den Universitäten Rostock, Greifswald und Hamburg liefern. Noch folgen soll eine vierte Perspektive aus der Uni Kiel. Die Idee: Lust auf ein Studium machen, das für Berufsanfänger zwar spannend, aber mitunter schwer zu greifen ist.
Daneben geht es auch immer wieder darum, Praxis-Tipps zu geben. „Wir wollen zum Beispiel das Thema Selbstorganisation angehen: Wie mache ich das eigentlich?“ sagt Julia Rau. Oder auch: „Wie komme ich aus dem Motivationstief heraus?“ Der Kommunikationsstil des Netzwerks: „Persönlich, aber nicht privat“, sagt die Studentin.
Denn obwohl alle von ihnen auch privat auf Instagram aktiv sind, betreiben sie @theostudies.nordkirche ehrenamtlich für die Nachwuchsförderung der Nordkirche.
Instagram trifft einen Nerv
Der Einfall dazu stammt von Jil Becker, Pastorin am Prediger und Studienseminar der Nordkirche. Um besser über Workshops und andere Angebote für angehende Theologinnen und Theologen berichten zu können, startete sie 2018 den Instagram-Account @nachwuchsnordkirche und traf damit einen Nerv.
„Instagram funktioniert. Da sind einfach alle, die wir ansprechen wollen“, sagt Jil Becker. Warum also nicht den Nachwuchs selbst berichten lassen, wie es auf dem Weg zur Pastorin oder zum Pastor ist? Gesagt, getan: Im Vikariatskurs 2019 fand sie begeisterte Mitstreiter, die ihren frisch ins Leben gerufenen Instagram-Account den Namen @wers_glaubt gaben.
Wer jetzt sagt „Moment, den kenn ich doch!“, liegt genau richtig: Auch dieser Account lief unter Federführung von der damaligen Vikarin Janika Frunder so gut, dass sie ihn auch heute noch weiterführt – inzwischen jedoch aus dem Blickwinkel einer Pastorin.
Ein Kanal für Studis, einer für Vikare
Also musste ein neuer Instagram-Auftritt her, über den der Nachwuchs frei und selbstbestimmt von den eigenen Erfahrungen berichten konnte. Am Ende wurden es sogar zwei: Seit Herbst dieses Jahres laufen @vikariatnordkirche und @theostudies.nordkirche – zwei institutionelle Accounts mit schnörkellosem Namen, aber sehr persönlichen Eindrücken aus den Lern-, Lebens- und Arbeitswelten der Theologinnen und Theologen in spe.
„Der Reiz des Projekts besteht darin, dass man sich in der Gruppe ausprobieren kann“, sagt Vikar Christian Kolodzey, der zusammen mit vier Kolleginnen seiner Regionalgruppe für „vikariatnordkirche“ verantwortlich ist. Viele hätten Lust, digital zu arbeiten und ihre Kompetenz in Sachen Social-Media zu stärken, wollten dies jedoch in der Ausbildungssituation noch nicht in der Gemeinde publik machen und dort mit ihrem Klarnamen agieren, sagt er. Im Netzwerk falle es leichter, sich an bestimmte Themen und die geeignete Ansprache heranzutasten.
Und so ist eine Gruppe aus Leuten entstanden, die unterschiedlich erfahren und unterschiedlich intensiv auf Instagram unterwegs sind, jedoch ein gemeinsames Ziel haben: Sie wollen junge Menschen auf ihrem Weg durch die Nordkirche mitnehmen, Denkanstöße in Glaubensfragen geben und zum Dialog anregen.
Geteilte Vielfalt
Dass die Beiträge dabei ganz unterschiedlich ausfallen, ist gewollt. Denn die teilnehmenden Vikarinnen und Vikare übernehmen den Account für je einen Monat. Bis März 2022 wollen sie das Projekt so weiterlaufen lassen – dann ist eine erste Evaluierung geplant.
„Ich könnte mir vorstellen, dass einige mit einem Morgengebet starten. Ich hingegen mache einfach eine Story und sage ‚Hallo – hier bin ich, und das machen wir gerade im Schulvikariat‘, berichte Jacqueline Juny, Vikarin am Dom zu Lübeck. „Es lebt von unserer Vielfalt.“
Vor allem sollen die digitalen Einblicke Freude machen und authentisch sein. „Unter Druck macht es keinen Spaß, ich schreibe dann nicht mehr mit dem Herzen“, sagt Kathy Clausen, die privat schon seit längerem unter @herzallerliebste_vikarin die Community an ihrem Glauben teilhaben lässt und nun ebenfalls ein Teil von @vikariatnordkirche ist.
Verbindung zu Menschen schaffen
Ob sie Instagram auch künftig bei ihrer Arbeit im Gemeindekontext verwenden? Vikarin Jacqueline Juny hätte nichts dagegen. „Meine idealisierte Vorstellung ist, dass ein Elternteil in den Gemeindebrief schaut und zu seinem Sohn oder seiner Tochter sagt: Guck mal, das ist die neue Vikarin. Willst du mal sehen, ob du die bei Instagram findest? Dann hat man gleich einen Anknüpfungspunkt zu den Konfis“, sagt sie.
Bislang erlebten sie eine Kirche, die regional sehr unterschiedlich gut digital aufgestellt ist. Oft hapere es noch an der technischen Ausstattung wie einem Diensthandy mit guter Kamera. Grundsätzlich seien die Gemeinden jedoch offen gegenüber Social-Media. „Ohne geht es nicht mehr. Man verliert sonst die Menschen. Wenn Kirche Bestand haben will, muss sie sich damit auseinandersetzen, auf diesen Kanälen unterwegs zu sein“, sagt Jacqueline Juny. „Was nicht heißt, dass jeder alles zeigen muss.“
Über Insta Glaubenanstöße geben
„Wichtig ist uns eine offene Haltung“, sagt Vikar Christian Kolodzey. „Und das Verständnis: Wir sind nicht nur bei Instagram, weil es gerade ‚in‘ ist, sondern weil wir damit Fragen über Sinn und Religiosität anstiften.“
„Am Ende wird die digitale Gemeinschaft auch zu einer emotionalen Gemeinschaft“, ist Pastorin Jil Becker überzeugt. Erlebt habe sie das etwa bei den Insta-Andachten in den Corona-Lockdowns. „Ich habe es erst gar nicht für möglich gehalten: Aber es hat mich sogar am Bildschirm gerührt.“