Vor 75 Jahren in Hamburg

NS-Zeit: Erinnerung an die "Kinder vom Bullenhuser Damm"

Am 20. April 1945 wurden in der Hamburger Schule am Bullenhuser Damm 20 jüdische Kinder ermordet. Im Rosengarten neben der Schule erinnern heute Tafeln an das Schicksal der Kinder.
Am 20. April 1945 wurden in der Hamburger Schule am Bullenhuser Damm 20 jüdische Kinder ermordet. Im Rosengarten neben der Schule erinnern heute Tafeln an das Schicksal der Kinder.© epd-bild/Philipp Reiss

19. April 2020 von

Vor 75 Jahren, am 20. April 1945, wurden in der Hamburger Schule am Bullenhuser Damm 20 jüdische Kinder ermordet. Sie stammten aus Polen, Italien, Frankreich, den Niederlanden und Jugoslawien und waren zuvor für medizinische Versuche missbraucht worden.

Sie wurden "an Haken wie Bilder an der Wand gehängt", berichtete der Täter, SS-Unterscharführer Johann Frahm, später im Prozess. Die geplante Gedenkfeier am Montag (20. April) fällt wegen der Corona-Krise aus. Die Idee war, dass Kinder aus mehreren Ländern die Feier gemeinsam gestalten.

20 jüdische Kinder wurden in einer Hamburger Schule ermordet

Die 20 jüdischen Kinder waren zwischen sechs und zwölf Jahre alt und kamen aus dem KZ Auschwitz. Der SS-Arzt Kurt Heißmeyer benutzte sie im Hamburger KZ Neuengamme für seine Untersuchungen über Tuberkulose (Tbc). Er infizierte sie mit Tbc-Erregern, weil er erforschen wollte, wie die Erreger auf einen "rassisch erschöpften" Körper, wie es in der NS-Ideologie hieß, reagieren. Später wurden ihnen die Lymphdrüsen (Axillardrüsen) aus den Achselhöhlen herausoperiert. Die von Heißmeyer erwartete Bildung von Tbc-Antikörpern wurde nicht nachgewiesen.

Kurz bevor die britischen Truppen Hamburg erreichten, kam der Befehl aus Berlin, die Kinder zu töten. Damit sollten die Spuren der medizinischen Experimente beseitigt werden. Die Kinder wurden vom KZ Neuengamme in die ehemalige Schule im Stadtteil Rothenburgsort gebracht und nach einer Betäubung mit Morphium im Keller erhängt. Mit ihnen starben auch vier Betreuer, zwei französische Mediziner und zwei niederländische Krankenpfleger, sowie 24 sowjetische Kriegsgefangene. Die Leichen wurden vermutlich im Krematorium Neuengamme verbrannt. 13 Tage später kapitulierte Hamburg.

1980 wurde das Gebäude zur Gedenkstätte erklärt

Die Schule war 1944 zur KZ-Außenstelle umgebaut worden. Bereits 1948 wurde das Gebäude wieder als Schule genutzt. 1987 wurde der Betrieb eingestellt, da die Schule mittlerweile vor allem von Gewerbebauten umgeben war. Erst 1980 wurde das Gebäude vom Hamburger Senat zur Gedenkstätte erklärt und nach dem polnischen Arzt und Pädagogen Janusz Korczak benannt.

Heißmeyer arbeitete nach dem Krieg als Leiter einer privaten Lungenklinik in Magdeburg. Erst 1963 wurde er für seine Verbrechen in der NS-Zeit verhaftet und 1966 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Ein Jahr später starb er an einem Herzinfarkt. SS-Unterscharführer Frahm wurde direkt nach dem Krieg der Prozess gemacht. Er wurde am 8. Oktober 1946 hingerichtet.

20 kleine Koffer erinnern an die Kinder

In den Kellerräumen der einstigen Schule informiert heute eine kleine Ausstellung über die Geschichte der Kinder vom Bullenhuser Damm. 20 kleine Koffer geben Auskunft über die Schicksale der Kinder. Vier weitere Koffer erinnern an die erwachsenen Opfer. In einem angrenzenden Rosengarten hängen Gedenktafeln für die ermordeten Kinder. Die ehemaligen Schulräume werden heute von einem Therapiezentrum genutzt. Außerdem ist hier die Kindertagesstätte "Sonnenschein" untergebracht.

Stille Erinnerung an "Kinder vom Bullenhuser Damm"

Für die Gedenkfeier am 20. April sollten ursprünglich jeweils sechs Schüler aus den Heimatländern der ermordeten Kinder die Ergebnisse ihrer Recherche vorstellen. Sie hatten im Rahmen des Jugendprojektes #rememberthechildren Filme gedreht und mit Angehörigen gesprochen. Erarbeitet wurde ein Konzept, wie ein modernes Gedenken an die Kinder aussehen könnte.

Auch wenn die Gedenkfeier ausfällt, wollen Senat, die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte sowie die Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm  dennoch an diesen bedeutsamen Tag erinnern, wie die Kulturbehörde mitteilte. Die Senatoren Dorothee Stapelfeldt (Stadtentwicklung) und Carsten Brosda (Kultur, beide SPD) wollen demnach einen Kranz niederlegen. Die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte werde über Social Media an diesem Tag berichten.

 

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