Rauhes Haus hilft Menschen seit 190 Jahren
14. September 2023
Seit 190 Jahren unterstützt das Rauhe Haus in Hamburg Menschen in den unterschiedlichsten Lebenslagen. Vieles hat sich seitdem geändert. Einige Ideale des Gründers Johann Hinrich Wichern prägen das dortige Miteinander jedoch bis heute, sagt Pastor Andreas Theurich, Vorsteher des Rauen Hauses.
Anfang des 19. Jahrhunderts ist die Armut groß im Stadtstaat Hamburg, der heutigen Innenstadt. Die sozialen und hygienischen Verhältnisse sind katastrophal. Besonders Kinder sind betroffen.
Rettungsanker für Arme
Auch der junge Theologe Johann Hinrich Wichern erlebt das, er lehrt in St. Georg an einer Sonntagsschule. Er sucht einen Ausweg – und fordert eine sozialdiakonische Stiftung für Hamburg. Am 12. September 1833 wird diese gegründet. Zwei Monate später bezieht Wichern mit drei Kindern und seiner eigenen Familie das Rauhe Haus, eine Bauernkate vor den Toren Hamburgs.
190 Jahre später feiert die Stiftung ihre einstige Gründung. „Ich habe mehr Diversität immer als Chance zur Weiterentwicklung verstanden“, sagt Pastor Andreas Theurich, Vorsteher des Rauhen Hauses.
Entwicklung zu mehr Vielfalt
Dabei sei das nicht immer so gewesen. „Nach meiner Wahrnehmung wurde die zunehmende Vielfalt in kultureller und religiöser Hinsicht innerhalb der Diakonie lange als Verlustgeschichte eines eindeutigen christlichen Profils verstanden.“ Die Welt differenziere sich heute immer weiter aus. „Es ist eine Frage der inneren Haltung, ob wir diese Vielfalt begrüßen und befördern oder der scheinbaren Einheitlichkeit und Normalität hinterhertrauern.“
Mehr als 100 Mitarbeitende
Zur Stiftung gehören heute die Bereiche Kinder- und Jugendhilfe, Teilhabe mit Assistenz, Sozialpsychiatrie, Pflege, die Wichern-Schule, die Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie sowie die Berufsschule für Pflege.
Rund 1.300 Mitarbeitende betreuen mehr als 1.400 junge und alte Menschen, unterrichten und bilden knapp 2.250 Schülerinnen, Schüler und Studierende aus - kaum zu vergleichen mit Familie Wichern, die einst ins Rauhe Haus zog.
Bildung als Schlüssel
Das, was seine Familie lebte, übertrug der Theologe damals auf die Stiftung: Vertrauen statt Strafe. Bildung und Ausbildung. Das sollte auch der geistlichen Bildung dienen.
„Wichern lebte in einer anderen Zeit und hatte ein ganz anderes Weltbild. Auch seine christliche Verwurzelung in der Erweckungsbewegung, seine tiefe Frömmigkeit lassen sich in dieser Form in einem heutigen Diakonieunternehmen in der Metropole Hamburg nicht mehr leben“, sagt Theurich.
Selbstbestimmtes Leben im Blick
„Aber einige der pädagogischen Ideale finden sich bis heute im Rauhen Haus.“ Zum Beispiel in den kleinen Einheiten, in denen junge Menschen in Wohngruppen Unterstützung und Begleitung erfahren.
„Die Chance auf Entwicklung und ein gelingendes Leben nach selbstbestimmten Vorstellungen hängt eng mit dem Bildungsgedanken zusammen, den Wichern von Anfang an hatte“, sagt Theurich.
Hohe Relevanz bis heute
Die Stiftung steuert nun auf ihr 200. Jubiläum zu, doch Herausforderungen gilt es nach wie vor zu meistern. „Die gesellschaftliche Schere geht trotz vieler staatlicher Interventionen in Deutschland immer noch weiter auseinander.
Die aktuell schwierige wirtschaftliche Entwicklung wird langfristige Folgen haben, auch für die Sozialsysteme“, sagt Theurich. Es werde voraussichtlich mehr Menschen geben, die sehr spezifische Unterstützungen brauchen.