"Gehört Gott in die Zeitung?"

Reformationsabend in Kiel im Online-Format

Journalistin Evelyn Finger hielt den Impulsvortrag.
Journalistin Evelyn Finger hielt den Impulsvortrag.

01. November 2020

Für viele der Beteiligten war es ein neues und ungewöhnliches Format, in dem der Kieler Reformationsabend stattfand. Als Ersatz für eine Präsenzveranstaltung wie in den vergangenen zwei Jahren hatte Bischof Gothart Magaard Akteure und Gäste am Abend des 31. Oktobers zu einem Treffen im digitalen Raum eingeladen.

Anlass war der Reformationstag, der in Schleswig-Holstein seit 2018 als gesetzlicher Feiertag begangen wird. Als Gastrednerin nahm Evelyn Finger, verantwortlich für das Ressort "Glauben und Zweifeln" der ZEIT, Hamburg, mit einem Impulsvortrag zur der Frage "Gehört Gott in die Zeitung?" teil.

"Religionen tragen die Kraft der Hoffnung und Zuversicht in sich"

"In den vergangenen Wochen und Monaten haben wir erlebt, wie wir als Gesellschaft funktionieren, wenn wir an Grenzen geraten und unsere Freiheit unter Einschränkungen gestalten müssen. Wir üben uns darin, mit der Unverfügbarkeit von allem zu leben. Religionen tragen die Kraft der Hoffnung und Zuversicht in sich“, sagte Magaard in seiner Begrüßung im Blick auf die Corona-Pandemie. Dies gelte es auch in den bevorstehenden Wochen öffentlich zu machen.

In ihrem Impulsvortrag beschäftigte sich Evelyn Finger mit der Aufgabenstellung als leitende Redakteurin für religiöse Fragen. Sie erläuterte: "Über 80 Prozent der Weltbevölkerung gehören einer Glaubensgemeinschaft an. In Deutschland waren wir noch nie so frei wie heute, unsere Weltanschauung zu wählen. Noch nie standen so viele Wege zur Wahrheit offen. Aber wie geht das, in dieser Freiheit, die ja auch Religionsfreiheit einschließt, zu leben?" Es gehe darum, Glaubensfragen, die uns heute bewegen, das, was uns heilig ist und darüber, wie viel Religion die Demokratie verträgt, zu diskutieren, so Finger weiter. Ein wichtiges Thema der zurückliegenden Monate war beispielsweise die bittere Situation der Abschottung und Isolation, die die Alten und Kranken während des ersten Corona-Lockdowns erleben mussten und wie sich die kirchlichen Player verhielten.

"Gedruckt wird, was interessant und relevant ist."

"Wir fragen auch nach der Rolle der liberalen Muslime vor dem Hintergrund der Aktionen des politischen Islam. Es gibt einen reformierten, aufgeklärten Islam und zahlreiche, in der Demokratie und der Freiheit beheimateten Muslime", führte Evelyn Finger als weiteres Thema vor Augen. "Wir haben nicht die Aufgabe, Menschen für den Glauben zu gewinnen, sondern sie dafür zu interessieren. Gedruckt wird, was interessant und relevant ist. Religionen sind für das Ressort nicht wahr oder falsch, sondern wichtig – Protestanten in diesem Land zwingen mich allerdings eher selten, über Probleme und Konflikte zu berichten", sagte die Journalistin abschließend.

"Religionsgemeinschaften sind wichtige Stimmen im gesellschaftlichen Diskurs"

In der anschließenden Diskussionsrunde wurde über die Trennung von Staat und Religion und über die Positionierung von wichtigen Anliegen der Kirchen in der Öffentlichkeit gestellt. Bischof Magaard erläuterte dazu: "Als Kirche wollen wir öffentlich wirken, aber gleichzeitig ist klar, dass wir eine Trennung von Staat und Kirche haben. Kirchen machen nicht die Gesetze, das machen die Parlamente. Doch Religionsgemeinschaften sind wichtige Stimmen im gesellschaftlichen Diskurs, die sich auch zu Gehör bringen. Wie wir diese Verantwortung in dieser Zeit wahrnehmen, damit sind wir mit anderen Religionsgemeinschaften in einem guten Gespräch. Aber wir müssen uns auch fragen, wie wir es schaffen, mit wichtigen Themen vorzukommen. An bestimmten Stellen müssen wir noch deutlicher Position beziehen."

"Wieviel Religion verträgt die Demokratie?" Dieser Frage widmeten sich am Ende der Veranstaltung die Statements von Pröpstin Almut Witt, Kirchenkreis Altholstein, und Vertretern anderer Religionsgemeinschaften. Pröpstin Witt sagte dazu: "Es gelingt uns vieles sehr gut gemeinsam mit anderen Religionsgemeinschaften. Das empfinde ich als stärkend.“

Der Vertreter der Schura (Islamische Religionsgemeinschaft Schleswig-Holstein e.V.), Hozak Rasul, äußerte sich dazu, mit welchen Selbstverständnis Mitbürgerinnen und Mitbürger muslimischen Glaubens die demokratische Grundlage des Staates anerkennen würden. Rabbi Isak Aasvedstad nahm die Gelegenheit wahr, an die lange Tradition jüdischen Lebens in Deutschland, das im nächsten Jahr auf eine 1700-jährige Geschichte zurückblicken kann, zu erinnern. Bernd Gaertner, Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), sprach schließlich das enge Zusammenwirken und das friedfertige Miteinander der religiösen Gemeinschaften an.

 

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