Projekt im Religionsunterricht: Schüler programmieren fahrenden Tisch
01. März 2018
Ein kleiner Tisch, der auf Knopfdruck herumfahren und Dinge transportieren kann - ein Zukunftstraum von Technikfreaks? Keineswegs: In einem Projekt haben ihn Schüler des Gymnasiums Altona in Hamburg für eine Rollstuhlfahrerin entwickelt – um zu zeigen: Mit digitalem Code kann man auch die Welt verbessern.
Marlene drückt auf die Fernbedienung und der Motor beginnt zu surren. Langsam bewegt sich der Tisch über die Fläche, fährt vor und zurück. Das ist das Ergebnis von nur vier Religions-Doppelstunden, in denen die Siebtklässler aus dem Kurs von Friederike Wenisch zusammen mit dem Programmierer Boris Crismancich und zwei Oberstufenschülern getüftelt haben. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir so etwas schaffen“, sagt Lydia. „Ich hätte gedacht, da bräuchte man viel mehr Erfahrung.“
Coden als Grundkompetenz
So ging es wohl zuerst auch Lehrerin Friederike Wenisch, die keine Ausbildung in Informatik hat, sich aber in ihrer Elternzeit mal eben die Auszeichnungssprache HTML5 beibrachte. „Ich dachte, wenn ich das hinbekomme, können meine Schüler das auch“, sagt Wenisch. „Denn Coden wird in Zukunft zu den Grundkompetenzen gehören, um die Welt zu verstehen.“
Ethik und Code
Und nicht nur das, sondern auch die ethische Bewertung dieser Macht, die ein Programmiercode in sich tragen kann. „Der Religionsunterricht ist dazu da, Dinge auszuprobieren und sie auch zu problematisieren“, sagt die Lehrerin. Mit Boris Crismancich fand sie über das Netzwerk Twitter da genau den richtigen Mitstreiter. Der ist nicht nur Entwickler für das sogenannte Internet der Dinge, sondern auch Mentor bei „Jugend hackt“, einer Veranstaltung für die ganz jungen Nachwuchsprogrammierer. „Beim Programmieren sollte man auch über etwas anderes nachdenken als nur über Profite“, sagt er.
Auch Internetbeauftragte Doreen Gliemann und Friederike Wenisch kamen zuerst nur via Internet zusammen - über den ReliChat des Religionspädagogischen Instituts der EKD auf Twitter, wo es um Relgionsunterricht und digitale Entwicklungen geht: „Dieses Calliope-Projekt hat mich begeistert, weil es Code, ethische Fragestellungen und christliche Haltung zusammenbringt. Glück für uns, dass es so etwas Tolles in der Nordkirche gibt."
Programmieren, um Gutes zu tun
Dass Künstliche Intelligenz die Welt verändern kann, merken die Schüler schon bei ihrer Erfindung, die sie sich explizit überlegt haben, um etwas Gutes zu tun – nämlich einer Bekannten von Boris Crismancich zu helfen, die im Rollstuhl sitzt und daher nicht immer die Hände frei hat, um Dinge von A nach B zu transportieren. Sie ist bei der Vorstellung per Videotelefonie zugeschaltet. Aber die jungen Erfinder sehen auch die Risiken: „Man muss sich vorstellen, was es bedeutet, wenn im Krankenhaus plötzlich kein Mensch durch die Tür kommt, sondern ein Tisch, der den Patienten etwas bringt“, sagt Lisa. „Er kann nicht helfen wie ein Mensch es tun kann und außerdem könnte er einen Arbeitsplatz wegnehmen.“
Das Projekt ist Open Source
Auch Moritz, der zusammen mit Louis aus dem Informatikkurs der Oberstufe dazu geholt wurde, fragt: „Wo ist die Grenze zwischen ersetzen und sinnvoll ergänzen?“ Klar ist jedoch, nur wer mitmacht, kann auch mitbestimmen. Die beiden zeigten den Siebtklässlern, wie man die Mini-Calliopes, kleine Boards mit Lage- und Bewegungssensor sowie Funkmodulen, entsprechend programmiert. In Arbeitsgruppen kümmerten sich die Schüler etwa um den Zusammenbau des Tisches, aber auch die Dokumentation ihrer Arbeit, denn: Das Projekt ist Open Source. „Jeder kann die Beschreibung und den Code verwenden, um etwas zu bauen, das Kraft braucht und fährt“, sagt Crismancich.
Denn auch das hat eine ethische Dimension: So haben auch die etwas davon, die sich die Entwicklung nicht leisten könnten.