Schüler retten Dorfkirche im mecklenburgischen Müsselmow
20. November 2013
Müsselmow. Am heutigen Buß- und Bettag kommt Nordkirchenbischof Gerhard Ulrich in die kleine Dorfkirche nach Müsselmow bei Schwerin. Seit mehr als 15 Jahren sind Hamburger Gymnasiasten mit Schulleiter Volker Wolter und Gewerbeschüler mit ihrem Lehrer Reinhard Dreyer dabei, die in den 1970er Jahren aufgegebene Kirche wieder aufzubauen. Im vergangenen Sommer kamen auch junge Leute aus Osteuropa und Ecuador, um Fußboden in die Kirche zu legen.
Die Kirche in Müsselmow war in den 1970er Jahren aufgegeben worden. Dafür wurde die ebenfalls sehr marode Kirche in Zaschendorf, nur zwei Kilometer entfernt - saniert . Für beide Kirchen reichte das Geld nicht.
Ein Film über "Dorfkirchen in Not" gleich nach der Wende im Osten gedreht, brachte den Hamburger Lehrer Volker Wolter am ersten Advent 1996 nach Mecklenburg. Er fragte bei der damaligen mecklenburgischen Landeskirche nach, ob es eine Kirche gäbe, an der er mit seinen Schülern arbeiten könne, im Rahmen von Projektunterricht. Er wollte seinen Schülern historisches Verständnis vor Ort, am Objekt vermitteln und ihnen gleichzeitig den Horizont für das Bundesland Mecklenburg erweitern, das für sie "j w d" war. Ein Projekt, an dessen Weiterentwicklung die Schüler beteiligt waren und bei dem sie bleibende Spuren hinterlassen konnten. Volker Wolter wurde nach Müsselmow vermittelt.
Rund 1500 Schüler haben an der alten Kirche gearbeitet
Rund 1500 Schüler werden es wohl in den letzten 15 Jahren gewesen sein, die hier an der Kirche gearbeitet haben, schätzt Schulleiter Wolter, der das Projekt bis heute gemeinsam mit einem Förderverein begleitet. Er hat es geschafft, bei Kollegen und vielen Eltern Interesse zu wecken, immer bringt er irgendjemanden mit, wenn er nach Müsselmow fährt.
Auch in diesem Sommer kamen wieder viele junge Leute - aus Bulgarien, der Ukraine, aus Deutschland, Russland, Ecuador und Georgien über den "Internationalen Bauorden" nach Müsselmow, um den Fußboden in der rund 700 Jahre alten Dorfkirche zu legen. Die Verständigung gelang mit Händen und Füßen, Englisch und ein paar Brocken Russisch irgendwie. Nach der Arbeit ging’s zum Baden an einen kleinen See in der Nähe – viel mehr ist in dem winzigen Dorf nicht zu machen.
Ehemaliger Schüler des Gymnasiums Hamburg-Rahlstedt: Bischof Ulrich
1998 konnte der erste Gottesdienst nach vier Jahrzehnten in der Kirche – damals noch sehr provisorisch – gefeiert werden. Inzwischen gab es mehrere, der nächste ist am Buß- und Bettag. Besonderer Gast ist der Landesbischof der Nordkirche Gerhard Ulrich. "Nicht weil er unser Nordkirchenbischof ist, haben wir ihn eingeladen, sondern weil er an meinem Gymnasium, das intensiv hier in Müsselmow am Wiederaufbau beteiligt ist, Abitur gemacht hat", sagt Wolter. Ulrich wird ein Grußwort in Müsselmow sprechen – den Gottesdienst gestalten werden die Schüler. Sie haben sich vorbereitet, sich im Religionsunterricht mit dem Buß- und Bettag auseinander gesetzt. Und vermutlich wird es wie zu jedem Gottesdienst, den die Hamburger Schüler hier gestalten, rappelvoll sein.
Einen Ort für die Jugendlichen schaffen
Wolters Ziel ist es, in Müsselmow einen Ort zu haben, an dem Schüler Freizeiten, Konfi-Projekte und Prüfungsvorbereitungen durchführen können. Ein Jugendbegegnungszentrum soll es werden, das für Seminare, Musikfreizeiten, Ausstellungen und Konzerte genutzt werden kann. Um die Übernachtungsmöglichkeiten auf Zukunft hin zu verbessern, hat der Förderverein die Rettung des verfallenen Müsselmower Kornspeichers aus dem 19. Jahrhundert ebenfalls zu seiner Sache gemacht. Zur Hälfte mithilfe von eigenen Geldern und zur anderen Hälfte mit Fördermitteln, die der politischen Gemeinde zur Verfügung stehen, hat der Verein, mit Firmen und mit Jugendlichen den Rohbau fast beendet. Für den Innenausbau fehlt zurzeit das Geld.
Wolter ist aber überzeugt, das Geld gemeinsam mit den inzwischen vier beteiligten Hamburger Gymnasien – Rahlstedt, Grootmoor, Heinrich-Heine und Buckhorn – zusammen zu bekommen. Zum Beispiel durch einen "sponsered walk". Dafür suchen sich die Schüler in ihrer Umgebung Sponsoren, die bereit sind, ihnen für jeden Kilometer, den sie bei einem Langlauf schaffen, eine bestimmte Summe (Cent bis manchmal 1 Euro) zu bezahlen. Oftmals laufen die Schüler dann überraschend viele Kilometer.
Mehrfach ausgezeichnetes Projekt
Volker Wolter hat 1998 für das Projekt Müsselmow unter anderem den Deutschen Denkmalschutzpreis, das Projekt 2004 den Hamburger Bürgerpreis und den Preis des Bundespräsidenten "Deutsche Einheit" sowie den Mecklenburgischen Denkmalschutzpreis für Jugendliche bekommen. Zu Recht, sagen die Baufachleute der mecklenburgischen Landeskirche Karl-Heinz Schwarz und Klaus-Peter Gauer, die immer wieder nach Müsselmow fahren und den Fortgang der Arbeiten "mit großem Engagement und Sachverstand" begleiten, freut sich Wolter.