Schulstiftung der Nordkirche: "Die freien Schulen sind in MV systemrelevant"
24. August 2023
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es 20 Schulen, die in Trägerschaft der Nordkirchen-Schulstiftung sind. Dazu kommen mehrere evangelische Horte. Warum die Einrichtungen so wichtig sind und vor welchen Herausforderungen sie zum neuen Schuljahr stehen, sagt Pastor Kai Gusek, Vorstandsvorsitzender und Pädagogisch-Theologischer Vorstand der Nordkirchen-Schulstiftung im epd-Gespräch.
Nicht alle Schüler:innen und Schüler im Norden besuchen eine staatliche Schule, einige besuchen auch Einrichtungen in freier Trägerschaft. Dazu zählen auch die evangelischen Schulen.
epd:Wie viele Einrichtungen gehören zur Nordkirchen-Schulstiftung?
Gusek: Die Stiftung fing 1997 mit dem Schulbetrieb an und zwar mit zwölf Schülerinnen und Schülern in Neubrandenburg. Inzwischen haben wir in 20 Schulen, darunter 18 in Mecklenburg-Vorpommern und zwei in Schleswig-Holstein, mit insgesamt knapp 3.400 Schülerinnen und Schülern. Dazu kommen ungefähr 1.500 Kinder in 14 Horten. Und wir haben mehr als 500 Mitarbeitende. Wenn alles gut geht, starten wir am 1. September mit einer Kindertagesstätte für 65 Kinder in Anklam. Das wird unsere erste Kita sein.
Wie entwickeln sich die Schülerzahlen?
Die Schulstiftung hatte natürlich in den ersten Jahren ein rasantes Wachstum, jetzt sind wir stabil. Jedes Jahr kommen ungefähr 100 Schülerinnen und Schüler dazu. An vielen Standorten sind wir zu 100 Prozent ausgelastet und haben lange Wartelisten.
Warum wollen denn so viele Menschen, dass ihre Kinder eine evangelische Schule besuchen?
Wir sind, denke ich, aus unterschiedlichen Gründen attraktiv. Zum einen, weil die Eltern von einer Schule in evangelischer Trägerschaft eine andere Werteorientierung erwarten. Zum anderen, weil wir versuchen, mit unterschiedlichen Ansätzen eine moderne Pädagogik zu leben. Manche Eltern entscheiden sich vielleicht auch für uns, weil ihnen in ihrer eigenen Familie möglicherweise was fehlt, nämlich sozusagen die religiöse Sprachfähigkeit. Oma konnte noch biblische Geschichten erzählen, sie selber nicht mehr.
Mehr Geld für gute Bildung
Wie wirken sich die neu berechneten Schülerkostensätze denn auf die Schulstiftung aus?
Laut Schulgesetz MV bekommen wir 85 Prozent der Kosten für die pädagogischen Kräfte vom Land erstattet. Ab dem Schuljahr 2023/2024 sollen wir 85 Prozent der Kosten erhalten, die das Land im Corona-Jahr 2021 mit den vielen Schulschließungen für Lehrkräfte ausgab. Das bedeutet, dass die Landeszuschüsse für die Grundschulen steigen, bei Regionalschulen, Gesamtschulen und Gymnasien aber sinken.
Politisch gesehen müsste aber eher mehr Geld ins Bildungssystem gesteckt werden. Deshalb muss das Land bei der Finanzhilfe für die freien Schulen noch einmal nachsteuern. Wir hoffen auf gute politische Gespräche mit den Regierungsfraktionen von SPD und Linke sowie mit der Opposition, weil wir das gerne im Konsens hinbekommen wollen.
Ich habe das Wort „Finanzhilfefrieden“ für MV ins Spiel gebracht. Wir wünschen uns für beide Seiten Planungssicherheit für längere Zeit.
Nach dem jetzigen Kenntnisstand haben wir - nur auf die nächsten fünf Jahre gerechnet - im Verhältnis zu vorher Mindereinnahmen von 3,6 Millionen Euro.
Wie wollen Sie das kompensieren?
Aus eigenen Mitteln können wir das nicht kompensieren. Das Schuldgeld zu erhöhen, würde bedeuten, die Eltern für eine politische Entscheidung bluten zu lassen. Die Eltern unserer Schulen dürfen nicht doppelt belastet werden, denn sie zahlen ja genauso viel Steuern wie jeder andere, der sein Kind an eine öffentliche Schule gibt. Also: Das Schulgeld ist ein Thema, aber am Ende muss sich das System aus sich selber heraus finanzieren.
Wir haben mehr als 14 Prozent Schülerinnen und Schüler im freien Schulwesen in Mecklenburg-Vorpommern, das ist ein großer Anteil, wir sind systemrelevant. Wenn die freien Schulen alle schließen müssten, hätte der Staat ein Problem, weil er nicht genug Schulgebäude, nicht genug Lehrerinnen und Lehrer hat. Das heißt, die freien Schulen sind zur Erhaltung des Bildungsauftrages im Land unbedingt notwendig. Es muss also eine gute Regelung gefunden werden, sonst sehe ich die Qualität des Schulwesens in der Gesamtheit wirklich bedroht.
Ausbildung zur Quereinsteiger:in
Hat auch die Schulstiftung Probleme, Lehrkräfte zu finden?
Es wird immer schwieriger, Lehrerinnen und Lehrer zu finden, sowohl ausgebildete Lehrkräfte als auch Quereinsteiger aus anderen Berufen. In diesem Jahr empfinde ich die Situation aber nicht als so dramatisch wie im vergangenen Jahr, aber wir haben noch freie Stellen.
Einen wirklichen Schritt weitergekommen sind wir bei den Seiteneinsteigern. Wir haben in diesem Jahr als erster freier Schulträger im Land die Akkreditierung des Landes bekommen, um Quereinsteiger als Grundschullehrerin oder -lehrer selber ausbilden zu dürfen. Der erste Kurs hat gerade begonnen und dauert drei Jahre.
Mit welchen Erwartungen blicken sie denn aufs neue Schuljahr?
Ich bin froh, dass wir uns in diesen Sommerferien überhaupt nicht mit dem Thema Corona befassen mussten. Zum anderen bin ich froh, dass wir an allen Schulen genug Lehrerinnen und Lehrern haben, um mit dem Unterricht beginnen zu können. Und wir bilden auch wieder Referendarinnen und Referendare aus.
Ich hoffe, dass die evangelischen Schulen noch mehr ein Teil der Kirchengemeinde vor Ort sein können. Das ist an vielen Stellen so, leider aber nicht überall. Über die Schulen haben wir miteinander die Chance, viele Menschen zu erreichen, beispielsweise über die Schülerinnen und Schüler, die Eltern, die Geschwister, die Tanten und Onkels, Großeltern. Wir tragen mit unseren Schulen dazu bei, dass wir für die evangelische Kirche gute Impulse setzen und Menschen interessieren für das, was wir an Wichtigen zu sagen haben in dieser Welt.
Gebäude ökologisch umrüsten
Welche Herausforderung sehen Sie noch?
Das ist die Sanierung und Instandsetzung der Schulgebäude, auch unter ökologischen Gesichtspunkten. Wir haben viele Schulen, die wir übernommen haben. Und die sind teilweise in den vergangenen 20, 30 Jahren nicht oder nur kosmetisch angefasst worden und müssten nun saniert werden. Da ist das Land ebenfalls in der Verantwortung, auch die freien Schulen finanziell bei Schulbauförderungen mit zu bedenken.
Und wir wollen den frühkindlichen Bildungsbereich ausbauen. Die neue Kita in Anklam wird dafür der Start sein.
Immer wieder müssen wir uns auch fragen, was die Schülerinnen und Schüler für ihr Leben brauchen, wie wir mit ihnen und für sie so Schule machen, dass wir ihren Bedürfnissen entsprechen. Wir müssen unsere pädagogischen Ansätze immer wieder hinterfragen und ständig weiterentwickeln. Gute Schule ist man nicht, das muss man sich jeden Tag immer wieder neu erarbeiten.