Telefonseelsorge Lübeck: Leiterin geht in den Ruhestand
02. September 2020
Pastorin Marion Böhrk-Martin geht in den Ruhestand. 22 Jahre lang hat sie die Telefonseelsorge Lübeck geleitet. Rund 300 Menschen hat die Theologin zu ehrenamtlichen Seelsorgern ausgebildet und begleitet und damit unzähligen Menschen im Norden Deutschlands ermöglicht, in schwierigen Lebenslagen einen Ansprechpartner am Telefon zu finden.
Wichtig, nicht nur in der Zeit mit Corona. Pausenlos klingelt bei der Telefonseelsorge das Telefon oder es landet eine Nachricht in Chat oder im E-Mail-Eingang – und das seit vielen Jahren.
Die Kernklientel sei zwischen Mitte 20 bis Ende 50 Jahre alt. Vor allem aus Alltagsnöten und Einsamkeit griffen die Menschen in den letzten Jahren zum Hörer. "Einige wollten zumindest einmal am Tag mit einem anderen Menschen sprechen, andere hatten ein richtig schlimmes Problem", sagt Marion Böhrk-Martin.
Vor allem Familienkonflikte belasten die Menschen
Das hat sich unter den Auflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in den letzten Monaten gewandelt. "Ängste, Zwänge, Einsamkeit – all das ist oft gut weggepackt. Nun kommen diese Dinge hoch und wachsen sich zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen aus", so Böhrk-Martin. Nach der Akutsituation im Frühjahr 2020 mit konkreten Fragen und Ängsten seien es nun vor allem auch Familienkonflikte, die die Menschen belasten.
Pastorin macht Kriegskinder und Kriegsenkel zum Thema
Generationenkonflikte – damit wird sich Marion Böhrk-Martin auch künftig noch weiter beschäftigen. Aus der Arbeit der Telefonseelsorge heraus hat die Theologin und Traumatherapeutin in den letzten Jahren die transgenerationale Traumaweitergabe zum Thema gemacht. 2011 organisierte sie ein umfassendes Programm zum Thema "Kriegskinder", 2018 nahm sie über ein Fachsymposium die "Kriegsenkel" in den Blick.
Namhafte Autoren und Referenten kamen nach Lübeck – die Stadt, die das Nadelöhr der Geflüchteten aus dem Osten zum Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg war. "Darüber habe ich auch ein Stück meiner eigenen Geschichte entdeckt", sagt Marion Böhrk-Martin, die sich selbst zu den Kriegsenkeln zählt.
Erst Postbeamtin, dann Pastorin
Geboren und aufgewachsen ist Marion Böhrk-Martin auf der Insel Fehmarn. Nach der Schule ging sie in die Lehre bei der Deutschen Post und arbeitete dort 10 Jahre. Als ihr damaliger Partner in Lübeck studieren wollte, verließ sie die Post und nutzte die Chance, in Lübeck das Abendgymnasium zu besuchen. Eine Arbeit fand sie in der damaligen Bibliothek des Kirchenkreises Lübeck – und war überwältigt von den Büchern, die ihrem Geist und ihrer Seele neue Nahrung gaben.
Nach Arbeit und Schule las sie nebenbei alles, was sie zu Systematik und Dogmatik finden konnte. In ihr reifte der Entschluss, Theologie zu studieren. "Aber den entscheidenden Anstoß dazu gab eine wirklich inspirierende Begegnung mit einem jungen, sehr engagierten Lübecker Pastor", erinnert sich Marion Böhrk-Martin zurück.
Sie begann1982 in Hamburg Theologie zu studieren, lernte die alten Sprachen und fing parallel an, sich in der Telefonseelsorge zu engagieren. Ihr großes Anliegen war, eine gute Seelsorgerin zu werden. Damals wusste sie noch nicht, dass sie diese Einrichtung einmal maßgeblich formen und prägen würde.
Telefonseelsorge Lübeck gut aufgestellt
84 Ehrenamtliche sind aktuell am Telefon im Einsatz, elf angehende Telefonseelsorger/innen beenden ihre Ausbildung im November. Marion Böhrk-Martin übergibt die Arbeit der Telefonseelsorge Lübeck zum 1. September 2020 offiziell in die Hände ihres Nachfolgers Pastor Frank Gottschalk. Eine große Verabschiedung ist für das Frühjahr 2021 geplant – dann wird die Telefonseelsorge Lübeck 60 Jahre alt.
Marion Böhrk-Martin selbst wird sich weiter im Bereich Ehe- und Lebensberatung und der Traumatherapie engagieren. Einige konkrete Ideen hat sie bereits, um mit Menschen in Begegnung zu kommen und Resonanz zu erzeugen.