Kirche stärkt Demokratie

Von Dorf zu Dorf unterwegs für die Demokratie

Thorid Schmelter und Karl-Georg Ohse fahren durch ganz Mecklenburg-Vorpommern, um Menschen in den Dialog zu bringen. Ihrer Erfahrung nach ist dies eine der nachhaltigsten Methoden, um einer Radikalisierung entgegenzutreten.
Thorid Schmelter und Karl-Georg Ohse fahren durch ganz Mecklenburg-Vorpommern, um Menschen in den Dialog zu bringen. Ihrer Erfahrung nach ist dies eine der nachhaltigsten Methoden, um einer Radikalisierung entgegenzutreten. © Simone Viere

11. Februar 2025 von Julia Krause

Wer die Demokratie fördern will, braucht zuweilen viel Geduld und die Fähigkeit, sich selbst zurückzunehmen. Karl-Georg Ohse und Thorid Schmelter können das. Die beiden Mitarbeitenden der Fachstelle "Kirche stärkt Demokratie" hören immer dann genau hin, wenn andere sich abgehängt fühlen. Denn sie wissen: Radikalisierung fängt oft dort an, wo Menschen sich übergangen fühlen.

„Wie wollen wir gut miteinander leben?“ Thorid Schmelter und Karl-Georg Ohse stellen diese Frage in so genannten Councils der Fachstelle „Kirche stärkt Demokratie“. Es ist ein Dialogformat, das die Perspektive öffnen und Toleranz fördern soll.

Ein Austausch im Vertrauen

Unterwegs sind die beiden Sozialpädagogen vorrangig in den Dörfern Mecklenburg-Vorpommerns. Ihr Auftrag: Ein demokratisches Miteinander fördern und Kirchengemeinden als zivilgesellschaftliche Akteure stärken. Sie werden etwa dann gerufen, wenn sich in einer Kommune oder Kirchengemeinde rassistische oder anders diskriminierende Tendenzen zeigen.

Als Beispiel nennt Ohse eine Chatgruppe, in der wiederholt rechtspopulistische Inhalte gepostet wurden. Die Kirchengemeinde lud daraufhin zu einem Council-Treffen ein, das von Ohse moderiert wurde. Bei diesem Format werden in einem geschützten Raum alle Teilnehmenden gebeten, ihre Sichtweise zu einer bestimmten Fragestellung zu schildern. Das Gesagte bleibt vertraulich.

Zuhören statt bewerten

Dabei gehe es nicht darum, mit Fakten Menschen argumentativ auf eine bestimmte Seite zu ziehen, erklärt Ohse. Vielmehr ziele diese Methode darauf ab, dass sich Menschen öffnen und ihre ganz persönliche Sicht darlegen. Die jeweils anderen hören zu – ohne Bewertung oder Gegenrede.

Im besten Falle würden so verhärtete Fronten aufgebrochen und ein respektvoller Diskurs möglich. „Viele denken erst mal an einen Vortrag der politischen Bildung im klassischen Sinne und sind dann völlig überrascht, dass wir einen Redekreis machen“, sagt Thorid Schmelter.

Es geht darum, wieder gesehen zu werden 

Erprobt wurde dieses Format bereits sehr intensiv in der Corona-Zeit. Anders als heute lag damals der Fokus darauf, einen Zugang zu Menschen zu bekommen, die in dieser Zeit in das Spektrum von Verschwörungstheorien geraten waren.

Was sowohl bei einer Radikalisierung in Richtung Verschwörungstheorien als auch in Richtung des rechten Milieus eine Rolle spielt, sei das Gefühl des Übergangenen-Werdens oder Abgehängt-Seins, sagt Ohse. „Viele erleben, dass ihnen nicht mehr zugehört wird. Deswegen ist das Reden lassen und Zuhören so wichtig“, sagt der Sozialpädagoge und ergänzt: „Das aussprechen zu können, was einen beschäftigt, nimmt ganz viel Druck aus dem Kessel.“

Obwohl die Mitgliederzahlen in den östlichen Kirchenkreisen vergleichsweise gering sind, werde es von den meisten Menschen positiv aufgenommen, dass gerade die Kirche sich in Sachen Demokratieförderung engagiert: „Das ist vielleicht durch die friedliche Revolution bedingt. Da hat die Kirche eine sehr aktive Rolle gespielt und war für viele in der DDR-Zeit eine Art Schutzraum“, sagt Ohse.

Politisches Engagement kann anstrengend sein 

Bedenken gebe es eher aus dem internen Kreis. „Ich erlebe den größten Widerstand gegen das politische Engagement der Kirche aus den Kirchgemeinden selber. Und zwar glaube ich, dass es aus einer Angst heraus passiert, etwas Falsches zu sagen oder sich angreifbar zu machen“, so Ohse.

Ganz von der Hand zu weisen sei diese Sorge auch nicht, ergänzt seine Kollegin Thorid Schmelter. Gerade in Gegenden, in denen der Zuspruch zur AfD hoch sei, liege es nahe, dass Kirchengemeinden ganz genau überlegten, was sie öffentlich sagen möchten. 

Desinformation ist eine Gefahr für die Demokratie 

Darauf angesprochen, was die beiden Expert:innen als die größte Bedrohung für die Demokratie ansehen, benennen sie Wissenslücken über das Funktionieren demokratischer Strukturen und gezielte Desinformation in den Blasen von sozialen Netzwerken. „Manchmal wundert es mich, wie naiv Leute Fake News glauben“, sagt Ohse.

Die Fachstelle „Kirche für Demokratie“ bietet deswegen neben den Council-Treffen auch Schulungsangebote wie Workshops an. Aktuell liefen diese aber nur auf Sparflamme, da die dafür vorgesehenen Mittel aus dem Bundeshaushalt im Zuge des Koalitionsbruches noch nicht freigegeben sind. 

Keine Politik auf Kosten von Menschenrechten

Rund 75 Prozent der Finanzierung der Fachstelle laufe über Bundesmittel aus dem Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ des Bundesinnenministeriums und der Bundeszentrale für politische Bildung, die aktuell nicht freigegeben sind. Ohse und seine Kollegin hoffen darauf, dass die neue Bundesregierung diese nun schnell bewilligt, damit sie ihre Arbeit fortführen können.

Mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl sagt Schmelter: „Ich wünsche mir, dass es da zu einer Klarheit kommt. Und dass das Menschliche wieder im Fokus steht.“ Ihr Kollege Karl-Georg Ohse ergänzt, dass er hoffe, dass keine Politik „auf Kosten von Minderheiten und Menschenrechten gemacht wird“. Im Vordergrund müssten die Werte des Grundgesetzes stehen.

Hintergrund

Die Fachstelle „Kirche stärkt Demokratie“ wurde 2011 eingerichtet, um Haupt- und Ehrenamtliche aus den Kirchengemeinden im Umgang mit menschenfeindlichen und antidemokratischen Haltungen zu beraten und Multiplikator:innen in Sachen Demokratieförderung auszubilden.

Inzwischen ist sie sehr erfolgreich mit der Council-Methode in der Fläche unterwegs, um mit Menschen in den Dialog zu treten und so eine Basis für ein respektvolles, demokratisches Miteinander zu schaffen.

Ein Großteil der Finanzierung wird bislang über Bundesmittel aus dem Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ geleistet. Hinzu kommen Mittel des Europäischen Sozialfonds sowie Kirchenmittel der Nordkirche und der Kirchenkreise Pommern und Mecklenburg. Letztgenannter ist seit 2017 der Träger der Fachstelle.

Die Büros der beiden hauptamtlichen Mitarbeitenden Karl-Georg Ohse und Thorid Schmelter befinden sich in Schwerin und Greifswald. Die Leitung liegt bei Ohse, der die Nordkirche ebenso im Sprecher:innenrat der Bundesarbeitsgemeinschaft "Kirche und Rechtsextremismus" (BAGKR) vertritt. 

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