Warum Klimaschutz auf dem Kirchendach anfängt
13. Juli 2015
Klimaschutz ist eigentlich eine logische Folge des Glaubens – geht es doch um den Erhalt der Schöpfung. Aber im Alltag von Kirchengemeinden ist der Einsatz für weniger CO2-Ausstoß oft ein mühsames Ringen. Was Gemeinden beim Klimaschutz bewirken können und welche Hindernisse sie überwinden müssen.
Jürgen Nielsen ist einer von etwa 14.000 Energieberatern in Deutschland. Sein Spezialgebiet: Kirchen. Bis 2020 sollen die evangelischen Kirchen 40 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als 2005, dazu haben die EKD-Synodenmitglieder 2014 aufgerufen. Fachleute wie Nielsen beraten Gemeinden und kirchliche Einrichtungen, wie sie Gebäude dämmen können oder welche Heizung geeignet ist.
"Natürlich wollen auch wir Energiekosten senken", sagt Nielsen, der Mitglied der Konferenz der Umweltberater in der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) ist und im Kirchenkreis Schleswig-Flensburg arbeitet. "Aber wir wollen auch einen Beitrag zur Klimagerechtigkeit und zum Frieden weltweit leisten." Die Erhaltung der Schöpfung verpflichte die Kirchen, sagt er. Fragen an den eigenen Lebensstil und die Verantwortung des Einzelnen seien "eigentlich eine logische Folge des Glaubens".
Ausgezeichneter "Grüner Hahn"
Gemeinden quer durch die Republik betreiben Solaranlagen, beziehen grünen Strom oder beschäftigen sich mit Dämmmaterial. Über 700 kirchliche Einrichtungen tragen bereits die Plakette "Grüner Hahn", in Süddeutschland "Grüner Gockel". Die Gemeinden erhalten die Auszeichnung am Ende einer Weiterbildung für Energieeffizienz und Umweltmanagement.
"Durch die Qualifizierung wird der Gedanke des Umwelt- und Klimaschutzes in die Gemeinden getragen", sagt Hans-Jürgen Hörner, der das Projektbüro des "Grünen Hahns" in Recklinghausen leitet. Das schaffe ein Bewusstsein für die Notwendigkeit eigenen Handelns. "Oft fragen sie am Ende der Zertifizierung: ‚Was können wir noch tun?’"
So ging es der Kirchengemeinde Welzheim bei Stuttgart. Seit 2005 trägt sie den "Grünen Gockel". Als die energetische Sanierung des damaligen Gemeindekindergartens in einem Haus der Stadt anstand, kam mehr ins Rollen: 2010 gründeten Gemeindemitglieder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die seit 2011 eine Hackschnitzelheizanlage betreibt. Sie erzeugt Wärme für die Kirche, das Pfarrhaus, der Kindergarten und weitere kirchliche, städtische und private Häuser.
Reiz fürs Sparen fehlt
"Wir hätten gern als Kirchengemeinde die Anlage betrieben", sagt Siglinde Hinderer, Mitarbeiterin und Ingenieurin, "aber wir durften nicht, weil Kirchen nicht wirtschaftlich arbeiten dürfen". Auch wenn sie die Argumente des Oberkirchenrats teils nachvollziehen könne, kritisiert sie: "Eine Anlage rechnet sich erst, wenn sie eine Mindestzahl an Abnehmern hat. Hier würde ich mir bei der Kirchenleitung mehr Bewegung wünschen."
Zudem würden manche Gemeinden nicht an Einsparungen beteiligt, weil der Kirchenbezirk die Energiekosten trage. "Damit ist der Anreiz gering, etwas zu ändern", sagt Hinderer. "Bei einer Beteiligung wäre die Motivation höher, das hätte Vorteile für beide Seiten."
Jobst Kraus streitet seit Jahren für mehr Klimaschutz in der Kirche. Der frühere Studienleiter für Umwelt und nachhaltige Entwicklung der Evangelischen Akademie Bad Boll ist Vorstandssprecher der Ökumenischen Energiegenossenschaft Baden-Württemberg (ÖEG), die aus dem Bau einer Photovoltaikanlage für die Akademie hervorging. Die Genossenschaft unterhält Solarpanels auf kirchlichen Dächern unter anderem in Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim und Tübingen. Pläne gibt es zur Beteiligung an Wind- und Wasserkraftprojekten.
Nordkirche – Vorreiter beim Klimaschutz
Einen neuen Weg schlägt der Kirchenkreis Mecklenburg ein, der zur Nordkirche gehört – ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Der Kirchenkreis gründete 2014 mit dem regionalen Energieversorger WEMAG ein Energieunternehmen, die Kirchliche EnergieWerk GmbH (KEW). Mehrheitseigner ist mit 51 Prozent der Kirchenkreis. Das Ziel: auf Ländereien der Kirche Windräder oder auf Dächern kircheneigener Gebäude Solaranlagen zu installieren. Zudem berät die KEW Gemeinden.
Als Betreiber ist eine Stiftung für Klimaschutz geplant, die sich laut KEW-Geschäftsführer Gottfried Timm gerade in der Beratung der Synode befindet. Timm, früherer Landesinnenminister und Pastor, führt bereits Gespräche mit Gemeinden über die Nutzung von Kirchenland. Aber für die Realisierung braucht die KEW einen langen Atem. "Planungsverfahren dauern", sagt Timm, mit ersten Anlagen rechnet er "frühestens 2017".
Überhaupt konnt die Nordkirche ihren CO2-Ausstoß zwischen 2005 und 2010 um knapp 13 Prozent auf rund 170.000 Tonnen senken. Ehrgeiziges Fernziel: Bis 2050 will die Kirche klimaneutral werden. Ob das gelingt, hängt nach den Worten des Umweltbeauftragten Jan Christensen von den Entscheidungen der Landessynode im September ab. Dort soll das erste kirchliche Klimaschutzgesetz Deutschlands beschlossen werden, inklusive Finanzierung. "Klimaschutz benötigt professionelles Personal", sagt Christensen. Dafür müsse die Einsicht, dass sich diese Investition auch rechnet, "noch überall ankommen".