Weihnachten - für Obdachlose die einsamste Zeit des Jahres
21. Dezember 2022
Für 75 obdachlose Menschen bietet das Diakonische Werk in Hamburg eine Weihnachtsfeier an, die Wochen im voraus nachgefragt wird. Ein gemeinsames Essen, Singen, kleine Geschenke und eine Lesung aus der Bibel sollen für ein bisschen Stimmung sorgen.
Sie sind obdachlos, sie sind allein - und dann kommt Weihnachten. Das Fest der Liebe, das Menschen so gern im Kreis ihrer Familie feiern, erscheint vielen Obdachlosen „als die einsamste Zeit des Jahres“, weiß Justyna Kurowski vom Diakonie-Zentrum für Wohnungslose in Hamburg, das auch eine Tagesaufenthaltsstätte umfasst, zu berichten.
In dem Tagesaufenthalt an der Bundesstraße 101 findet an Heiligabend eine Weihnachtsfeier statt. Das Interesse daran ist groß.

„Viele fragen bereits im November nach, um sich für die Weihnachtsfeier anzumelden“, sagt Kurowski. Die Betroffenen seien „dankbar und froh, dass sie im Tagesaufenthalt feiern können“. Eine vorherige Anmeldung ist laut Kurowski erforderlich, der Grund: „Die Platzzahl ist begrenzt auf 75 Personen.“
Posaunenchor, Andacht, festliches Essen mit Bischöfin Fehrs
Es geht stimmungsvoll zu bei der Feier, die um 11.30 Uhr beginnt: Ein kleiner Posaunenchor sorge für Musik und die Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, Kirsten Fehrs, halte eine Andacht. Dazu lese Fehrs die biblische Weihnachtsgeschichte vor, auf Deutsch.
Einzelne Gäste trügen die Geschichte in ihrer jeweiligen Herkunftssprache vor, so Kurowski - zumeist seien das Polnisch, Rumänisch und Bulgarisch. „Es ist immer sehr anrührend.“
Im Anschluss an die Andacht stehe ein gemeinsames Essen auf dem Programm, das Küchenteam bereite zum Fest ein besonderes Mahl vor. „Die Gäste werden an ihrem Platz von Haupt- und Ehrenamtlichen bedient“, sagt Kurowski.
Geschenktüten von Schüler:innen aus der Nachbarschaft
Danach ist Bescherung, es „werden Geschenktüten verteilt, die von Schülerinnen und Schülern aus der Nachbarschaft vorbereitet wurden“. Die Bischöfin verteile kleine Erinnerungen wie Strohengel oder Glöckchen an die Besuchenden. Dabei komme sie mit jedem einzelnen Besucher und jeder einzelnen Besucherin ins Gespräch, so Kurowski.

Zeit für persönliche Gespräche nähmen sich darüber hinaus die Sozialarbeitenden der Tagesaufenthaltsstätte. Und auch ein Teil des ehrenamtlichen Teams sei da und habe ein offenes Ohr für die Menschen.
Erinnerungen an Weihnachten in der Kindheit
Doch nicht nur Weihnachten mache Obdachlosen besonders zu schaffen, bereits die Vorweihnachtszeit sei für die Tagesaufenthalts-Besuchenden „immer eine schwierige Zeit“, so Kurowskis Erfahrung. „Familie, Freunde und ein Zuhause“ fehlten und das werde „an den kalten Tagen besonders spürbar“.
Viele Besuchende hätten das Bedürfnis zu reden: Vor allem Ältere erzählten in der Beratungszeit dann häufig vom Weihnachten ihrer Kindheitstage. Aber auch von „Schicksalsschlägen wie dem Verlust einer geliebten Person, Scheidung und Ähnlichem“ - schicksalhafte Ereignisse, „die ihr Leben verändert haben und mitunter Auslöser für die Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit waren“.
Ein Wermutstropfen: Am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag bleibt der Tagesaufenthalt an der Bundesstraße laut Justyna Kurowski geschlossen. Sie versichert aber: „Wir informieren unsere Besucherinnen und Besucher im Vorfeld, welche Einrichtungen geöffnet haben.“