Internationaler Frauentag 2024: "Wir brauchen mehr Brückenbauerinnen"
08. März 2024
Sind Frauen in Deutschland gleichberechtigt? Laut Gesetz ja, aber Statistiken zeigen, beim Einkommen oder der Sorgearbeit stehen Mann und Frau noch immer unterschiedlich gut da. Delphine Takwi vom Frauenwerk der Nordkirche setzt sich für Frauenrechte und Frauengesundheit ein. Sie mahnt, auch Frauen mit Fluchterfahrung und Migrationsgeschichte in der Debatte nicht zu vergessen.
"Am 8. März zelebrieren wir den Weltfrauentag. Es stimmt, dass der Status von Frauen besser geworden ist. Frauen können selbst Geld verdienen, sie können in Führungspositionen arbeiten, ihre Stimme wird gehört. Das ist nicht auf der ganzen Welt so. Aber trotzdem gibt es auch in Deutschland Stolpersteine für Frauen, die Männer nicht haben", so Takwi.
Stress und Depressionen nicht selten
Mentale Gesundheit und die Work-Family-Life-Balance seien ein Thema für viele Frauen. "Sie müssen für die Firma und die Familie gleichermaßen da sein", so die Theologin.
Beratung der erste Schritt zur Heilung
Beim Frauenwerk ist Takwi als Referentin für transkulturellen Dialog und Müttergesundheit zuständig. Sie weiß, die Nachfrage nach Beratung, nach Mutter-Kind-Kuren, ist groß. "Das bedeutet auch, das viele Frauen krank sind. Egal welche Form und Art von Krankheit. Aber gleichzeitig gibt es wenig Beratungsstellen, wenig Geld für die Beratung. Dabei ist die Beratung der erste Schritt zur Heilung."
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In einer Mutter-Kind-Kur hätten die Frauen beispielsweise Zeit für sich, während die Kinder betreut werden. Doch nicht jede Frau wisse überhaupt von dem Angebot. "Die gute Botschaft ist längst nicht in allen Communities angekommen", so Takwi. Sie selbst habe erst über ihre Arbeit beim Frauenwerk von dieser Möglichkeit erfahren.
Delphine Takwi stammt gebürtig aus Kamerun in Zentralafrika. Sie lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Nach vielen Jahren in Hamburg ist sie heute mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Elmshorn zuhause.
Aktiv gegen Rassismus und Diskriminierung
Die Theologin engagiert sich gegen Rassismus und ist auch als Empowerment-Coach in der Hansestadt und in Schleswig-Holstein unterwegs. "Wenn wir den Blick in die transkulturelle Richtung lenken, dann leben viele Frauen unter uns, die Fluchterfahrungen haben. Sie leiden unter Panikattacken, haben Zwangsprostitution, Vergewaltigungen, ungewollte Schwangerschaften oder FGMC ( Female Genital Mutilation and Cutting/ Genitalbeschneidung) erlitten. Wie können wir Frauentag feiern, ohne an diese Frauen zu denken?", fragt die Aktivistin.
Wir sollten den Frauentag feiern mit ihrer Schönheit und ihrer Diversität. Die Frauen, die die Stimme haben, die sollten sie Stimme heben für die Frauen, die keine Stimme haben. Der Frauentag sollte die Diversität feiern. Delphine Takwi
Für Takwi ist das Problem offensichtlich, es fehlt effektiver Beratung für Frauen mit Migrationsgeschichte. "Frauen sollten Frauen beraten, die den kulturellen Hintergrund kennen. Die evangelische Kirche sollte mehr Geld für Mitarbeitende mit Migrationshintergrund bereitstellen", meint Takwi.
Empowerment von Frau zu Frau
Sie selbst war als Beraterin bei Contra, einer Fachstelle gegen Frauenhandel in Schleswig-Holstein, tätig. "Wir brauchen mehr Brückenbauerinnen, die gleichberechtigt sind. Migrantinnen machen oft ehrenamtliche Arbeit, die deutschen Kolleginnen die gleiche Arbeit als feste Stelle. Das ist Diskriminierung. Wir brauchen viel Empowerment von Frau zu Frau, auch interkulturelles Empowerment – einen Umgang mit Rassismus und Diskriminierung."