Frauenrechte und Frauengesundheit

Internationaler Frauentag 2024: "Wir brauchen mehr Brückenbauerinnen"

Delphine Ngeche Takwi ist Referentin für transkulturellen Dialog und Müttergesundheit beim Frauenwerk der Nordkirche.
Delphine Ngeche Takwi ist Referentin für transkulturellen Dialog und Müttergesundheit beim Frauenwerk der Nordkirche.© Simone Viere

08. März 2024 von Simone Viere

Sind Frauen in Deutschland gleichberechtigt? Laut Gesetz ja, aber Statistiken zeigen, beim Einkommen oder der Sorgearbeit stehen Mann und Frau noch immer unterschiedlich gut da. Delphine Takwi vom Frauenwerk der Nordkirche setzt sich für Frauenrechte und Frauengesundheit ein. Sie mahnt, auch Frauen mit Fluchterfahrung und Migrationsgeschichte in der Debatte nicht zu vergessen.

"Am 8. März zelebrieren wir den Weltfrauentag. Es stimmt, dass der Status von Frauen besser geworden ist. Frauen können selbst Geld verdienen, sie können in Führungspositionen arbeiten, ihre Stimme wird gehört. Das ist nicht auf der ganzen Welt so. Aber trotzdem gibt es auch in Deutschland Stolpersteine für Frauen, die Männer nicht haben", so Takwi.

Stress und Depressionen nicht selten

Mentale Gesundheit und die Work-Family-Life-Balance seien ein Thema für viele Frauen. "Sie müssen für die Firma und die Familie gleichermaßen da sein", so die Theologin.

Internationaler Frauentag (1/3)

Seit 1911 gibt es den "Internationalen Tag der Frauen", an dem weltweit auf Frauenrechte und Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam gemacht wird. Der Weltfrauentag wird weltweit am 8. März gefeiert.

In Deutschland konnten im Januar 1919 Frauen das erste Mal in der Geschichte wählen und gewählt werden. Die Frauen kämpften zudem für kürzere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn, niedrigere Lebensmittelpreise, eine regelmäßige Schulspeisung und legalen Schwangerschaftsabbruch.

Internationaler Frauentag (2/3)

Während des Ersten Weltkriegs und unter der NS-Diktatur war der „sozialistische“ Feiertag verboten. Die Nationalsozialisten propagierten stattdessen den Muttertag, der ihrem Frauenbild eher entsprach. Doch im Untergrund lebte der Frauentag weiter: Wer am 8. März seine rote Wäsche im Fenster auslüftete, gab damit ein politisches Statement ab.

Nach 1945 entzweite der Kalte Krieg auch den Frauentag. Im Westen verlor er an Bedeutung, wurde dann vor allem von der Frauen- und Friedensbewegung ab Ende der 60er Jahre begangen.

Internationaler Frauentag (3/3)

In der DDR entwickelte sich der 8. März vielfach zum „sozialistischen Muttertag“, an dem Kinder der Mutter Blumen oder selbst gemalte Bilder schenkten. 1977 führten die Vereinten Nationen den Weltfrauentag als offiziellen UN-Tag ein. Das Land Berlin führte 2019 den Frauentag als gesetzlichen Feiertag ein, auch in Mecklenburg-Vorpommern ist der Frauentag mittlerweile ein Feiertag. (epd)

Beratung der erste Schritt zur Heilung

Beim Frauenwerk ist Takwi als Referentin für transkulturellen Dialog und Müttergesundheit zuständig. Sie weiß, die Nachfrage nach Beratung, nach Mutter-Kind-Kuren, ist groß. "Das bedeutet auch, das viele Frauen krank sind. Egal welche Form und Art von Krankheit. Aber gleichzeitig gibt es wenig Beratungsstellen, wenig Geld für die Beratung. Dabei ist die Beratung der erste Schritt zur Heilung."

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Frauen sollten Frauen helfen, das zeigt auch dieses Bild in Takwis Büro, gezeichnet von einem ihrer Kinder.© Simone Viere

In einer Mutter-Kind-Kur hätten die Frauen beispielsweise Zeit für sich, während die Kinder betreut werden. Doch nicht jede Frau wisse überhaupt von dem Angebot. "Die gute Botschaft ist längst nicht in allen Communities angekommen", so Takwi. Sie selbst habe erst über ihre Arbeit beim Frauenwerk von dieser Möglichkeit erfahren. 

Auf einem mit Buntstiften gemalten Bild stehen Frauen unterschiedlicher Herkunft Arm in Arm nebeneinander.
UBUNTU steht über dem Bild in Takwis Büro, dass ihre Kinder gemalt haben. Das Wort bedeutet in etwa "Menschlichkeit" und "Nächstenliebe" sowie das Bewusstsein, dass man selbst Teil eines Ganzen ist.© Simone Viere

Delphine Takwi stammt gebürtig aus Kamerun in Zentralafrika. Sie lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Nach vielen Jahren in Hamburg ist sie heute mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Elmshorn zuhause. 

Aktiv gegen Rassismus und Diskriminierung

Die Theologin engagiert sich gegen Rassismus und ist auch als Empowerment-Coach in der Hansestadt und in Schleswig-Holstein unterwegs. "Wenn wir den Blick in die transkulturelle Richtung lenken, dann leben viele Frauen unter uns, die Fluchterfahrungen haben. Sie leiden unter Panikattacken, haben Zwangsprostitution, Vergewaltigungen, ungewollte Schwangerschaften oder FGMC ( Female Genital Mutilation and Cutting/ Genitalbeschneidung) erlitten. Wie können wir Frauentag feiern, ohne an diese Frauen zu denken?", fragt die Aktivistin. 

Wir sollten den Frauentag feiern mit ihrer Schönheit und ihrer Diversität. Die Frauen, die die Stimme haben, die sollten sie Stimme heben für die Frauen, die keine Stimme haben. Der Frauentag sollte die Diversität feiern. Delphine Takwi

Für Takwi ist das Problem offensichtlich, es fehlt effektiver Beratung für Frauen mit Migrationsgeschichte. "Frauen sollten Frauen beraten, die den kulturellen Hintergrund kennen. Die evangelische Kirche sollte mehr Geld für Mitarbeitende mit Migrationshintergrund bereitstellen", meint Takwi.

Empowerment von Frau zu Frau

Sie selbst war als Beraterin bei Contra, einer Fachstelle gegen Frauenhandel in Schleswig-Holstein, tätig. "Wir brauchen mehr Brückenbauerinnen, die gleichberechtigt sind. Migrantinnen machen oft ehrenamtliche Arbeit, die deutschen Kolleginnen die gleiche Arbeit als feste Stelle. Das ist Diskriminierung. Wir brauchen viel Empowerment von Frau zu Frau, auch interkulturelles Empowerment – einen Umgang mit Rassismus und Diskriminierung."

DIW-Analyse: Frauen leisten in Deutschland deutlich mehr Sorgearbeit

Kinderbetreuung und Hausarbeit in Familien sind einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Deutschland zwischen Frauen und Männern immer noch deutlich ungleich verteilt.

Vor der Geburt eines Kindes teilt sich etwa die Hälfte der Paare Hausarbeit annähernd gleich auf, mit der Familiengründung ist das nur noch bei rund einem Viertel der Fall, wie aus einem vom DIW veröffentlichten Bericht zum Thema hervorgeht. In vielen Familien übernimmt demnach die Mutter überwiegend oder ausschließlich die Sorgearbeit.

Besonders deutlich ist demnach der sogenannte Gender Care Gap – der geschlechtsspezifische Unterschied bei Kinderbetreuung und Hausarbeit – bei Personen zwischen 35 und 39 Jahren. In dieser Altersgruppe übernehmen Frauen laut DIW mehr als doppelt so viel Sorgearbeit wie Männer. (epd)

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