Wer als Quereinsteiger Pfarrer wird, der will es wirklich
12. Februar 2021
Wer Pastor oder Pastorin werden möchte, muss normalerweise sechs Jahre studieren, bevor er oder sie das Vikariat antreten kann. In Greifswald studiert jedoch die erste Generation der Nordkirche, die den Beruf als Quereinsteiger erlernt – mit verkürzter Studienzeit, aber hohem Niveau. Ein Interview mit Studienleiter Tobias Sarx.
Herr Sarx, mit dem Master of Theological Studies in Greifswald spricht die Nordkirche Menschen an, die Interesse am Pfarrdienst haben, aber mindestens schon ein Studium und fünf Jahre Erfahrung in einem anderen Beruf vorweisen können. Warum diese relativ hohen Hürden?
Weil ein Weiterbildungsstudiengang grundlegende Kenntnisse im akademischen Arbeiten bereits voraussetzt. Wer die wissenschaftlichen Methoden erst noch lernen muss, ist im regulären Theologiestudium besser aufgehoben. Die erste Hürde schützt also vor unrealistischen Erwartungen.
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Mit der Berufserfahrung bringen die Kandidatinnen und Kandidaten Rüstzeug mit, das sowohl für das Studium als auch für die spätere praktische Arbeit nützlich ist. Zum Beispiel: Einer Lehrerin wird es leichter fallen, vor einer Gruppe Konfirmanden zu stehen, als einer Person, die frisch aus der Uni kommt. Wer als Jurist in einem Wirtschaftsunternehmen gearbeitet hat, bringt Personalführungskompetenz mit. Oder die frühere Leiterin eines Altenpflegeheims hat schon hilfreiche Erfahrungen im Umgang mit Leid und Tod gesammelt.
Mit der Berufserfahrung bringen die Kandidatinnen und Kandidaten Rüstzeug mit, das für die spätere praktische Arbeit nützlich ist.
Insgesamt ist die Studienzeit zwar verkürzt. Durch das, was die Quereinsteiger bereits mitbringen, gelingt es aber, dass sie am Ende keine schlechteren Pfarrerinnen und Pfarrer sind, sondern gleichwertig arbeiten können wie diejenigen, die ein Vollstudium absolviert haben.
Quereinsteiger nehmen keine Sonderstellung ein
Welche Fragen bewegen die Bewerber mehrheitlich, bevor sie sich für den Studiengang entscheiden?
Neben vielen organisatorischen Fragen ist auch die nach der Vollwertigkeit eine häufig gestellte. Und ja: Wer das Weiterbildungsstudium und das anschließende Vikariat absolviert hat, ist Pastor mit den gleichen Rechten und Pflichten wie alle anderen Pastoren der Nordkirche – inklusive Aufstiegsmöglichkeiten zum Propst- oder Bischofsamt. Zudem ist der Studiengang EKD-weit anerkannt.
Sie sprachen die organisatorischen Dinge an. Wie viel Zeit muss man denn berufsbegleitend investieren, um das Studium zu schaffen?
Die Nordkirche bietet auch Religionslehrern und -lehrerinnen sowie kirchlichen Mitarbeitern die Möglichkeit zum Quereinstieg. Informationen dazu finden sich auf pfarrberuf-nordkirche.de
Während der drei Jahre sind pro Woche zehn bis zwölf Stunden zu investieren. Dazu kommen vier Blockarbeitswochen pro Jahr, in denen in Greifswald vor Ort gearbeitet wird. Die Sprachanforderungen wurden im Vergleich zum grundständigen Theologiestudium halbiert. Trotzdem sind hierfür im Vorfeld immer noch insgesamt 20 Leistungspunkte für Griechisch und Hebräisch einzuplanen. Das entspricht einem Workload von 600 Arbeitsstunden.
Die Kandidaten sind gern bereit, die Zeit zu investieren, weil sie ein Ziel vor Augen haben, für das sich die Mühe lohnt.
Wir machen die Erfahrung, dass diejenigen, die sich auf den Weiterbildungsstudiengang einlassen, eine sehr hohe Motivation an den Tag legen. Sie sind gern bereit, die Zeit zu investieren, weil sie ein Ziel vor Augen haben, für das sich die Mühe lohnt. Wem das zu aufwändig ist, dem stehen andere Wege offen, in den kirchlichen Dienst zu gelangen. Das muss dann nicht der Pfarrdienst sein. Uns geht es nicht darum, möglichst viele Leute an Land zu ziehen, sondern solche zu finden, zu denen der Beruf wirklich passt.
Es ist gleichzeitig aber auch kein Geheimnis, dass die Nordkirche ein großes Interesse daran hat, die Absolventen zunächst in den Gemeinden, also tatsächlich im Pfarrberuf einzusetzen, um derzeitige und kommende Vakanzen zu schließen. Doch gibt’s auch andere Jobmöglichkeiten?
Ja, grundsätzlich schon. Bei uns ist der Studiengang zwar noch neu, die jetzigen Studienteilnehmer sind die erste Generation der Nordkirche. Aber in Marburg gibt es ihn schon länger. Und ich weiß von Leuten, die zum Beispiel ins Bibliothekswesen gegangen sind, oder von Juristen, denen das Theologiestudium eine Tür geöffnet hat, als Kirchenjuristen tätig zu sein. Der Master of Theological Studies bietet sich aber auch an, wenn man Leitungspositionen in der Diakonie anstrebt.
Empathie und Spaß am Diskurs sind der Schlüssel
Okay, aber zurück zum Pfarrberuf: Abgesehen von der fachlichen Qualifizierung, zu der ja auch die Bibelkunde und die Sprachkurse gehören, woran würden Sie festmachen, dass ein Theologiestudium das Richtige für jemanden ist?
Man sollte sprichwörtlich Spaß daran haben, „über Gott und die Welt“ zu diskutieren. Die eigene theologische Position festigt sich nicht allein durch stilles Nachdenken, sondern dadurch, dass man mit anderen ins Gespräch kommt und es zulässt, dass die eigene Haltung hinterfragt wird.
Wichtig ist auch Empathie. Nehme ich die Gefühle anderer wahr und kann darauf eingehen? Und bin ich bereit, mit Menschen eine gewisse Wegstrecke zu gehen, auch wenn es anstrengend wird?
Kann ich mich selbst mit Gott in Beziehung setzen und macht es mir Freude, dies mit anderen zu teilen?
Ein drittes wichtiges Merkmal ist eine zumindest in Ansätzen entwickelte Spiritualität. Kann ich mich selbst mit Gott in Beziehung setzen und macht es mir Freude, dies mit anderen zu teilen? Im Studium und im anschließenden Vikariat geben wir Impulse, die eigene Spiritualität weiter zu entwickeln. Das ist nur bedingt lehrbar, aber wir öffnen Räume für Entdeckungsreisen hin zu einer Form, die zu einem selbst passt.
Kirche als fairer Arbeitgeber
Und wenn Sie in drei Sätzen Werbung für den Pfarrberuf machen dürften, welche sind dies?
Erstens: Der Pfarrberuf ist ein vielseitiger und sinnstiftender Beruf. Ich habe das Privileg, Menschen auf einer Wegstrecke zu begleiten und ihnen durch gelebten Glauben Kraft zu vermitteln. Zweitens finde ich es großartig, dafür bezahlt zu werden, mit Gott in Beziehung zu treten und mir Gedanken über den Sinn des Lebens zu machen – dafür muss ich keine teuren Selbsterfahrungskurse buchen und auch nicht meine knappe Freizeit einsetzen. Drittens finde ich den Umstand nicht unwichtig, in der Kirche einen fairen und verlässlichen Arbeitgeber zu haben, der nicht auf maximalen Profit aus ist, sondern für seine Mitarbeiter einsteht.