Wesselburen startet die zweite Vesperkirche "Mohltied"
09. Januar 2025
Alle an einen Tisch bringen: Das ist das Ziel unserer Kirchengemeinde in Wesselburen (Kreis Dithmarschen), die am Sonntag zum zweiten Mal ihre dreiwöchige Vesperkirche „Mohltied“ startet.
Alle Menschen sind eingeladen, montags bis freitags zwischen 11 und 16 Uhr in die Kirche St. Bartholomäus zu kommen, um gemeinsam zu essen und zu klönen, wie Pastorin Ina Brinkmann im Vorfeld erläutert.
Jeden Mittag steht ein Gericht zur Auswahl. Wer kann, zahlt zwei Euro, für sozial Schwächere ist das Essen umsonst. Nachmittags gibt es Kaffee und Kuchen.
„Wir wollen mit dem Projekt den Zusammenhalt in Wesselburen stärken und einen Ort der Begegnung schaffen“, sagte die Pastorin. Auch Sozialberater der Diakonie werden mit an den Tischen unter der Empore der Kirche sitzen. Sie hören zu und helfen, wenn jemand Rat bei seinen Problemen braucht.
Insgesamt setzen 35 Ehrenamtliche das Projekt mit um, zahlreiche gastronomische Betriebe sponsern die 80 Mittagessen pro Tag. Auch ein kostenloses Kulturangebot mit zwei Lesungen und einem modernen Bücher-Antiquariat soll es geben. Das Sozialkaufhaus vor Ort bietet für kleines Geld warme Kleidung an.
Während der „Mohltied“-Kirche findet sonntags um 11 Uhr eine thematische Predigtreihe in St. Bartholomäus zum Thema Menschwürde statt. „Soziale Probleme wie Einsamkeit und Armut schränken Menschen ein und kratzen an der Menschenwürde. Mohltied soll dem entgegenwirken“, erklärt Brinkmann das Thema.
Aus unserem Archiv: Bischöfin Steen kocht für Bedürftige
Die Schleswiger Bischöfin Nora Steen eröffnet am Sonntag den Reigen unter dem Titel „Von der Würde und so manchem Widerstand“. Das Projekt in Wesselburen ist der Bischöfin zufolge eine Kernaufgabe von Kirche. Was Menschen heute häufig fehle, sei Gemeinschaft.
Viele würden es gar nicht mehr kennen, mit anderen zusammen zu essen. „'Mohltied' ist ein Projekt für Leib und Seele - und daher so wichtig“, erklärte Steen.
Es gebe bereits in vielen Kirchengemeinden in Schleswig-Holstein ähnliche Projekte. Alle erfreuten sich großer Resonanz. „Es kann aber sicherlich nicht genug davon geben“, so Steen. Zumal man davon ausgehen müsse, dass die sozialen Probleme in der Gesellschaft weiter zunähmen.
Steigende Energiepreise, Mietkosten und allgemeine Lebenshaltungskosten spürt inzwischen auch die so genannte Mittelschicht. Bischöfin Nora Steen
Das spiegelten auch die Zahlen der Schuldnerberatungen der evangelischen Nordkirche wider.
Der Zulauf bei Tafeln oder Suppenküchen sei ebenfalls ein Zeichen dafür, dass Menschen tendenziell größere wirtschaftliche Probleme haben. Nicht umsonst sitzen bei „Mohltied“ in Wesselburen auch Sozialberater der Diakonie mit am Tisch und bieten im Bedarfsfall ihre Hilfe an.
Steen: Schleswig-Holstein braucht mehr bezahlbaren Wohnraum
Trotz der Vielzahl an lokalen und globalen Krisen erwartet die Bischöfin von der Politik entsprechende Maßnahmen zur Armutsbekämpfung. „Wir dürfen von unserem Anspruch, eine möglichst sozial gerechte Gesellschaft zu sein, nicht abrücken.“ Schleswig-Holstein brauche viel mehr bezahlbaren Wohnraum und eine verlässliche und pädagogisch gute Kinderbetreuung.
Auch in die Bildung von Kindern und Jugendlichen müsse nachhaltig investiert werden. „Wenn ich lese, wie viele allein in Schleswig-Holstein die Schule abbrechen, weiß ich: Das können wir uns als Gesellschaft überhaupt nicht leisten.“
Am 19. Januar steht Dithmarschens Kreispräsidentin Veronika Kolb auf der Kanzel, Nordkirchen-Referent Nicolas Moumouni folgt am 26. Januar und den Abschluss bildet Propst Andreas Crystall am 2. Februar.
Die erste „Mohltied“-Kirche fand im Januar 2024 statt und zog in drei Wochen 1.100 Besucherinnen und Besucher an. Im November wurde das Projekt mit dem „Nordstern“, dem Ehrenamtspreis der Nordkirche, ausgezeichnet.
Die Mohltied-Kirche lehnt sich an die Vesperkirche einer evangelischen Kirchengemeinde in Mannheim an, die Pastorin Ina Brinkmann einst besuchte. „Die Ausrichtung in Mannheim ist eine etwas andere. Aber das Projekt hat mich sehr berührt und so war die Idee für Wesselburen geboren“, erklärte die Pastorin.
Die Nachfrage ist groß
In diesem Jahr rechnet Brinkmann mit noch mehr Menschen bei der „Mohltied“-Kirche. Die Nachfrage sei groß. „Einerseits freut mich, dass unser Projekt aus allen Teilen der Bevölkerung Zuspruch findet. Andererseits heißt es auch, dass noch viel für gerechtes Leben getan werden muss“, sagte sie.