"Wir müssen weiter davon erzählen, wie Menschen zu Opfern der SED-Diktatur gemacht wurden"
24. Mai 2022
Am 22. Mai tagte zum 25. Mal der Bundeskongress der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Bei einem Gedenkgottesdienst anlässlich dieses Jubiläums betonte unsere Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt wie wichtig es ist, sich an das Unrecht zu erinnern.
Geschichte sei ein für die Menschen offenen Prozess. Wer sie so verstehe, dem gebe sie „Hoffnung und innere Kraft über gegenwärtiges Erleben hinaus,“ so Kristina Kühnbaum-Schmidt beim Gottesdienst in Rostock.
„Wir müssen zuhören“
In ihrer Rede betonte sie, dass wir nicht vergessen dürfen, welches Leid die Dikatur gebracht habe. „Wir müssen weiter erinnern, erzählen, zuhören und aufarbeiten, was geschehen ist. Wir müssen weiter davon erzählen, wie und wie viele Menschen zu Opfern der SED-Diktatur gemacht wurden und dass deren Leben gleichwohl genau darin nicht aufgeht“, sagte sie.
„Wir müssen weiter erinnern an die rund 75.000 Menschen, die einzig und allein wegen versuchter, angeblicher „Republikflucht“ inhaftiert waren. Wir müssen denen zuhören, die überwacht und denunziert wurden, deren Leben „zersetzt“ werden sollte. Wir müssen denen Gehör verschaffen, die ihre eigenen Lebensträume aufgeben mussten, weil sie ihnen allein aufgrund ihres Bekenntnisses zum christlichen Glauben verwehrt wurden. Und wir dürfen mit Respekt, Anerkennung und Dankbarkeit auf die Wege und weiteren Entwicklungen ihres Lebens sehen, an denen sie uns Anteil geben möchten“, ergänzte die Landesbischöfin.
Kirche war Schutzraum
Dabei spiele auch der Blick auf die Kirche eine Rolle, so Kühnbaum-Schmidt: „An vielen Stellen und Orten war unsere Kirche ein Raum für Schutz und Freiheit, für offene Worte und freie Gedanken, für vertrauensvolles Miteinander und geschwisterliche Gemeinschaft. Wo aber innerhalb der Kirche Menschen Verletzungen erlitten haben, wo sie Solidarität und Klarheit vermisst oder sich im Stich gelassen gefühlt haben, muss auch das zur Sprache kommen.“
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Stellvertretend erinnerte die Landesbischöfin an das Schicksal und die lebenslange Aufarbeitung eigenen Erlebens durch den in Rostock aufgewachsenen Schriftsteller Walter Kempowski, der als junger Mann in der DDR zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde. Kempowski habe erzählt, erinnerte Kühnbaum-Schmidt, dass in seiner Zeit der Haft in Bautzen allein das Singen von Chorälen seine Seele am Leben gehalten habe.
Choräle lassen Hoffnung wachsen
Vor den rund 200 Teilnehmern der Bundestagung sagte sie: „Wenn wir in Choräle einstimmen, erinnern sie uns daran, dass die Geschichte für uns Menschen offen und zugleich bestimmt und ausgerichtet ist auf Gottes Reich des Friedens, der Gerechtigkeit und der Liebe. Daraus kann Hoffnung und Kraft wachsen, in größter Bedrängnis am Leben zu bleiben.“