Zeitzeugen sprechen über politische Verfolgung
19. November 2021
In Dömitz sind Zeitzeugen morgen auf das „Rote Sofa“ im Kulturhaus eingeladen: Sie können dort über ihre Erfahrungen von Diskriminierungen im Alltag, politischer Verfolgung und Zwangsumsiedlung in den Jahren 1945 bis 1990 berichten. Ziel ist, das Geschehene auch für nachfolgende Generationen unvergessen zu machen.
Gesprächsräume eröffnen – Geschichte(n) erzählen. Dies ist Anliegen der Reihe „Rotes Sofa“ zu der am morgigen Samstag, 20. November, in der Zeit von 15 bis 18.30 Uhr in das Kulturhaus Dömitz eingeladen wird. „Bis heute werden die Fakten oft aus Scham, aus Angst, aus Sorge vor Benachteiligungen und Ausgrenzung verschwiegen“, so Propst Dirk Sauermann, der die Veranstaltung gemeinsam mit Pastorin Inga Roetz-Millon vorbereitet.
Aufarbeitung der SED-Diktatur
Betroffenen die Chance zu geben, so der Theologe, über das Erlebte zu sprechen und es öffentlich zu machen, sei wichtig, damit es nicht vergessen wird und auch die nachfolgende Generation um die Geschichte des Landes wissen. „Einige Zeitzeugen werden auf dem roten Sofa Platz nehmen, andere in kurzen Videos zu sehen sein“, blickt der mecklenburgische Propst voraus. Er sei dankbar, dass die Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anne Drescher, sowie Dr. Maria Pulkenat vom Zentrum Kirchlicher Dienste Mecklenburg die Veranstaltung unterstützen.
Die Biografien von 148 Kindern, Jugendlichen, Frauen und Männern in Mecklenburg, die zwischen 1945 und 1990 politisch verfolgt und diskriminiert wurden, hatte der Kirchenkreis Mecklenburg gemeinsam mit Partnern vier Jahre lang erforschen lassen.
Ergebnis ist das 2019 veröffentlichte Buch „Biografien politisch Verfolgter und Diskriminierter in Mecklenburg“. Exemplarisch geben die 148 Kurzbiografien einen Einblick in Leben, Überzeugung und erlittenes Unrecht derjenigen Menschen, die in Mecklenburg unter Sowjetherrschaft und SED-Diktatur verhaftet, ausgegrenzt, diskriminiert, mit Schweigeverbot belegt oder gar ermordet worden sind.
Viele sind heute noch traumatisiert
„Gut 22 bis 24 Prozent jeder Generation von DDR-Bürgern sind auf relativ dramatische Weise in irgendeiner Art traumatisiert worden. Diese Menschen haben Dinge erlebt, die politisch initiiert waren und die den Lebensweg des Einzelnen über kürzere oder längere Phasen entscheidend beeinflusst haben“, so die Historikerin Rahel Frank, die mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Biografien beauftragt war.
Betroffen waren unterschiedliche Gruppen von Menschen, auch zahlreiche Christen. Zu den Verfolgten gehörten beispielsweise Verurteilte sowjetischer Militärtribunale, in sowjetische Gulag-Lager Deportierte, in Speziallagern auf deutschem Boden Internierte, Zwangsausgesiedelte oder Menschen, die unter dem Ministerium für Staatssicherheit und anderen DDR-Organen leiden mussten. Themen sind: Fluchtversuche, Zwangsumsiedlungen, Enteignungen in der Landwirtschaft, Vorfälle rund um den Volksaufstand am 17. Juni 1953, Heimerziehung, Inhaftierungen und Freikäufe, Bausoldaten und Wehrdienstverweigerer sowie Jugendliche außerhalb der FDJ.