Schleswig-Holstein: Gottesbezug in Landesverfassung scheitert an einer Stimme
22. Juli 2016
Die Aufnahme eines so genannten Gottesbezugs und einer Demutsformel in die Präambel der Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung ist heute (22. Juli) im Kieler Landtag an nur einer Stimme gescheitert.
Ein entsprechender Antrag, der von Abgeordneten aus allen Fraktionen unterstützt worden war, erhielt die Stimmen von 45 der 68 anwesenden Abgeordneten. 23 votierten dagegen dagegen. Notwendig wären mindestens 46 Stimmen gewesen, um die vorgeschriebene Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen. Eine Abgeordnete war erkrankt. Damit bleibt die am 8. Oktober 2014 beschlossene Formulierung der Präambel der Landesverfassung ohne Gottesbezug und Demutsformel gültig. Damals hatten nur 29 Abgeordnete für einen Gottesbezug in der Präambel gestimmt.
Formulierung der Präambel ohne Gottesbezug von Oktober 2014 behält Gültigkeit
Als Reaktion auf die damals beschlossene Formulierung hatte sich am 2. März 2015 die Volksinitiative für die Aufnahme eines Gottesbezugs in die Verfassung gegründet. Ihr Sprecher, der ehemalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, äußerte sich nach der Abstimmung enttäuscht. „Die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landtags ist sehr bedauerlich, zumal sich viele Menschen im Land für einen solchen Gottesbezug engagiert haben", sagte er.
Enttäuschung bei Volksinitiative-Sprecher Peter Harry Carstensen
In dem nun knapp gescheiterten Vorschlag hieß es: „Die Verfassung schöpft aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas und aus den Werten, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen Quellen ergeben. Dies geschieht im Bewusstsein der Unvollkommenheit menschlichen Handelns, in Kenntnis der eigenen Geschichte und in Verantwortung vor den Menschen sowie in dem Willen, Demokratie und Frieden, Menschenrechte, Freiheit und Toleranz, Gerechtigkeit und Solidarität auf Dauer zu sichern und weiter zu stärken.“
Der jüngste Vorschlag, der unter anderem von SPD-Fraktionschef Ralf Stegner wie auch vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Daniel Günther unterstützt wurde, sei so offen formuliert worden, dass er mit einer größeren Zustimmung gerechnet habe, sagte Carstensen. „Als Initiatoren werden wir uns nun zeitnah zusammensetzen und das Ergebnis analysieren. Danach werden wir über mögliche weitere Schritte entscheiden“, kündigte Carstensen an.
Bischof Magaard: "Öffentliche Auseinandersetzung ist ein großer Gewinn"
Möglich wäre jetzt als nächster Schritt ein Volksbegehren, für das 80.000 Unterschriften gesammelt werden müssten. Würde es danach zum Volksentscheid kommen, müssten mehr als 1,1 Millionen Schleswig-Holsteiner für das Anliegen stimmen. Die Volksinitiative hatte über 42.000 Stimmen gesammelt, damit der Landtag das Thema erneut auf die Tagesordnung setzen musste.
Auch die beiden großen Kirchen äußerten sich enttäuscht. Der evangelische Schleswiger Bischof Gothart Magaard bedauerte, dass nur eine Stimme für die Aufnahme des Gottesbezugs fehlte. „Das ist für alle, die sich für einen Gottesbezug engagiert haben, eine große Enttäuschung.“ Die Volksinitiative habe mit Unterstützung der jüdischen, muslimischen und christlichen Gemeinden sehr viel in Bewegung gebracht. „An vielen Orten wurde zum Teil leidenschaftlich darüber diskutiert, warum ein Gottesbezug gerade in heutiger Zeit sinnvoll ist. Die öffentliche Auseinandersetzung damit war und ist ein großer Gewinn“, sagte Magaard zugleich.
„Die Entscheidung finde ich sehr bedauerlich - insbesondere auch für die vielen zehntausend Menschen in Schleswig-Holstein, die die Volksinitiative unterstützt haben", sagte der katholische Hamburger Erzbischof Stefan Heße. „Schade, dass ihr großes Anliegen von den Abgeordneten nicht umgesetzt worden ist.“
Gemeinsame Überlegungen zu Konsequenzen von Erzbistum Hamburg und Nordkirche
Das katholische Erzbistum Hamburg und evangelische Nordkirche würden nun gemeinsam mit der Volksinitiative darüber beraten, "welche Konsequenzen sich aus der Landtagsentscheidung ergeben".
In der Debatte hatte sich auch Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) für den jüngsten Antrag mit der Nennung von Gott eingesetzt. „Als Christ halte ich es für gut, der Verfassung diese Präambel voranzustellen“, sagte er. Während Stegner, Günther und Grünen-Faktionschefin Eka von Kalben erneut für den Antrag warben, gab es Gegenstimmen unter anderem von FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki, der in der Diskussion über einen Gottesbezug und eine Demutsformel eine „Machtfrage“ sah.
Von den Verfassungen der 16 Bundesländer enthalten sieben einen ausdrücklichen Gottesbezug. Auch das Grundgesetz, das der Parlamentarische Rat vorbereitete und das 1949 in Kraft trat, verweist in der Präambel auf die "Verantwortung vor Gott und den Menschen".