Kirchenasyl

Kirchen organisieren Mahnwache in Hamburger Innenstadt: Kirchenasyl ist Nächstenliebe

Mit Kerzen wurde bei der Mahnwache für Kirchenasyl an alle Menschen erinnert, die auf ihrer Flucht Schutz suchen und in Not sind.
Mit Kerzen wurde bei der Mahnwache für Kirchenasyl an alle Menschen erinnert, die auf ihrer Flucht Schutz suchen und in Not sind.© Claudia Ebeling, Nordkirche

08. Oktober 2024 von Claudia Ebeling

Aus aktuellem Anlass haben fast 300 Engagierte in der kirchlichen Flüchtlingsarbeit am Montag Nachmittag in der Hamburger Innenstadt für den Schutz des Kirchenasyls demonstriert. In Hamburg hatten Polizei und Ausländerbehörde in der vergangenen Woche ein Kirchenasyl geräumt. Eine katholische Gemeinde hatte einen 29jährigen psychisch kranken Mann aus Afghanistan aufgenommen.

"Hände weg vom Kirchenasyl" lautete das Motto der Mahnwache. Zahlreiche Engagierte in Initiativen für Geflüchtete, Bündnisse wie die "Omas gegen Rechts" oder Organisationen für die Seenotrettung waren in den Hamburger Innenstadt gekommen.

"Es ist ein Moment, der uns bewegt. Denn das Kirchenasyl ist mehr als eine Tradition — es ist ein Ausdruck von Nächstenliebe und christlicher Verantwortung", ließ Bischöfin Kirsten Fehrs in einem "Mahn-Wort" ausrichten.

Flüchtlingsbeauftragte Dietlind Jochims bei Mahnwache für Kirchenasyl in Hamburger Innenstadt
Rund 300 Menschen waren zur Mahnwache für Kirchenasyl in der Hamburger Innenstadt gekommen. Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Dietlind Jochims, hat ein "Mahn-Wort" von Bischöfin Kirsten Fehrs vorgelesen.© Claudia Ebeling, Nordkirche

Die Bischöfin blickte damit auf die Räumung des Kirchenasyls zurück. Denn: "Vor einer Woche wurde erstmals seit Jahrzehnten ein Mensch aus einem Kirchenasyl in Hamburg heraus abgeschoben."

Flüchtlingsbeauftragte: Humanität sollte uns leiten

"Wir stehen hier für die Würde und Rechte von verletzlichen Menschen", betonte die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Dietlind Jochims. "Wir stehen hier nicht gegen den Staat. Sondern um ihn zu einem besseren, zu einem gerechten Staat zu machen."

Weil Humanität uns alle leiten sollte, ob wir sie Nächstenliebe, Menschenrechtsarbeit oder Rechtsstaatlichkeit nennen.

Seelsorger: Polizeieinsatz verletzt Würde und Schutzraum

Seelsorger Andreas Petrausch, der den Mann im Kirchenasyl der katholischen Gemeinde betreut hat, berichtete von der traumatischen Situation, als plötzlich mitten in der Nacht Polizisten die Tür der Kirche aufgebrochen hätten.

Seelsorger Andreas Petrausch vom Erzbistum bei Mahnwache für Kirchenasyl in Hamburger Innenstadt
Andreas Petrausch, Seelsorger im Erzbistum Hamburg, hat den Mann betreut, der aus dem Kirchenasyl abgeschoben wurde und ist noch immer mit ihm in Kontakt. "Es geht ihm sehr schlecht", berichtet er.© Claudia Ebeling, Nordkirche

Kirchengemeinden prüfen Aufnahme gewissenhaft

Kirchenasyl ist gelebte Verantwortung. Die Kirchengemeinde, die einem geflüchteten Menschen Zuflucht gewährt, tut dies nach gewissenhafter Prüfung und in Achtung des christlichen Gebots der Nächstenliebe. Diese Gewissensentscheidung wurde in Hamburg bislang stets respektiert.

Mahnwache für Kirchenasyl Omas gegen Rechts in Hamburger Innenstadt
Kritisiert wurden bei der Mahnwache auch rechtspopulistische Parolen, die sich gegen Geflüchtete richten und die ihre Rechte einschränken sollen.© Claudia Ebeling, Nordkirche

Das Kirchenasyl kann die Möglichkeit bieten, in schwierigen Fällen noch einmal einen Gesprächsfaden zu den Behörden anzuknüpfen. Dieser Schutzraum, sinnbildlich gemacht durch die Aufnahme in kirchliche Räume, muss erhalten bleiben.

Hintergrund Kirchenasyl (1/3)

Zurzeit werden im Bereich der Nordkirche rund 30 Kirchenasyle für etwa 70 Personen gewährt. Hauptherkunftsländer sind Afghanistan, Syrien, Irak und Iran.

Ein Kirchenasyl wird vom Kirchengemeinderat nach Beratung und Prüfung beschlossen – die Entscheidung wird also direkt vor Ort gefällt. Mit dem Kirchenasyl soll Zeit für eine erneute Überprüfung des Asylantrags gewonnen werden, weil die berechtigte Annahme besteht, dass es sich um einen besonderen Härtefall handelt.

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Meist handelt es sich um so genannte „Dublinfälle“, bei dem ein Asylantrag bereits in einem anderen europäischen Land gestellt wurde, bei einer Rückkehr dorthin aber Repressalien oder Gewalt für die geflüchtete Person zu befürchten sind. Hier bedeutet der positive Ausgang eines Kirchenasyls, dass Deutschland für die Prüfung der Asylgründe zuständig wird.

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Der Staat toleriert das Kirchenasyl, bei dem Kirchengemeinden Geflüchteten Wohnraum bieten und sie versorgen, obwohl er grundsätzlich von seinem Zugriffsrecht Gebrauch machen und abschieben kann. Um gemeinsam zu guten humanitären Lösungen kommen zu können, wurde 2015 eine Verfahrensabsprache zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und den Kirchen getroffen.

Forderungen an Hamburger Senat

Die "AG Kirchliche Flüchtlingsarbeit" betonte in ihrem Aufruf zur Mahnwache: "Wir rufen den rot-grünen Senat auf, das Gespräch mit den Kirchen zu suchen und von weiteren Räumungen Abstand zu nehmen."

Hamburg dürfe sich hier nicht vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Druck setzen lassen.

Die Qualität einer humanen Flüchtlingspolitik bemisst sich nicht in der Zahl durchgeführter Abschiebungen.

Mahnwache für Kirchenasyl Teilnehmerin mit Weste in Hamburger Innenstadt
Viele Ehrenamtliche aus Kirchengemeinden, die sich für Geflüchtete engagieren, waren zu der Mahnwache für Kirchenasyl gekommen.© Claudia Ebeling, Nordkirche

Das Wort zur Mahnwache von Bischöfin Kirsten Fehrs im Wortlaut (1/2)

Liebe Geschwister,

Ihr steht heute zusammen, um ein Zeichen zu setzen. Vor zwei Wochen wurde erstmals seit Jahrzehnten ein Mensch aus einem Kirchenasyl in Hamburg heraus abgeschoben. Es ist ein Moment, der uns bewegt. Denn das Kirchenasyl ist mehr als eine Tradition - es ein Ausdruck von Nächstenliebe und christlicher Verantwortung.

Wo staatliche Schutzmechanismen versagen, da wird das Kirchenasyl notwendig. Menschen finden dort einen Ort, an dem sie Ruhe und Sicherheit erfahren. Ein Ort, der Hoffnung gibt. Die Auflösung dieses Schutzraumes erschüttert uns. Sie stellt uns vor die Frage: Was bedeutet es, Verantwortung zu tragen?

(2/2) Unsere Kirche steht für Mitmenschlichkeit. Für Barmherzigkeit. Wir treten ein für den Schutz derer, die keine Stimme haben. Das ist unsere Aufgabe — und unser Auftrag. Wenn Menschen in Not sind, dann müssen wir unsere Türen öffnen. Nicht verschließen. Das gilt unabhängig von Herkunft oder Religion.

Kirchenasyl ist kein juristisches Schlupfloch. Es ist ein Signal. Ein Zeichen, dass unser Gewissen wach bleibt. Deshalb: Lasst uns heute und in Zukunft klar und deutlich dafür eintreten. Gemeinsam. Für eine Gesellschaft, die Menschlichkeit vor Bürokratie stellt.

Ich danke Euch, dass Ihr heute hier seid. Dass Ihr mit Eurem Engagement ein Zeichen setzt. Ein Zeichen für Mitgefühl, Gerechtigkeit und den Schutz von Menschen in Not.

Kerzen werden entzündet bei Mahnwache für Kirchenasyl in Hamburger Innenstadt
Mit Kerzen wurde bei der Mahnwache für Kirchenasyl an die Menschen erinnert, die auf ihrer Flucht Zuflucht suchen und in größte Not geraten sind.© Claudia Ebeling, Nordkirche

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